Ich kann sie hören. Aus den Hinterzimmern. Die immer mehr zur offenen Bühne werden. Schneidig schnarrende Männerstimmen besprechen die Lage. Einer sprenkelt Häme über die blaue Doppelspitze. Er nennt sie grinsend „Chrupallalla und Weidelein“ und schickt ein knatterndes Lachen hinterher. Ein anderer mahnt ihn mit gut dosierter autoritärer Geste zur Mäßigung. Es wird still. Er betont, die Beiden machten eine hervorragende Arbeit für „unsere Sache“. Jetzt, – in der vorrevolutionären Zeit, wie es Herr Höcke einmal treffend genannt habe. Wenn es so weit sei, würde es natürlich Menschen von anderem Format brauchen. Männer, die die Stärke haben, unangenehme Entscheidungen zu treffen und Männer, die diese dann auch notfalls unschön durchsetzten. Aber bis dahin gelte den Beiden „unsere volle Unterstützung“. Er gehe davon aus, dass sich gefälligst alle daran halten. Dann geht man zur Tagesordnung über.
2055
Oder: Worauf es mir eigentlich ankam
Zusammen mit einer Gruppe von Menschen stehe ich etwa 5m entfernt vor einem mehrstöckigen Haus, das rot verklinkert ist. Eine Frau in einem altmodischen grauen Kostüm mit einem Haarknoten löst sich aus der Gruppe, geht auf das Haus zu, dreht sich kurz vor der Wand noch einmal zu uns zurück und dreht sich dann wieder zum Haus. Sie bückt sich tief und schiebt beide Hände unter den unteren Rand des Hauses. Dann hebt sie das Haus an. Obwohl sie die Hände auf der linken Seite des Hauses hat, bekommt es keine Schlagseite, sondern bewegt sich gerade nach oben, begleitet von unserem Staunen. Sie lächelt sehr zurückhaltend. Als würde unser Staunen sie erfreuen und gleichzeitig auch amüsieren. Schließlich ist das Hausheben doch ein Akt, der für sie selbstverständlich ist. Als das Haus 6 oder 7 Stockwerke höher hängt, bin ich plötzlich im Inneren des Hauses und trete aus dem Fahrstuhl. Ein großer Raum öffnet sich. Ringsherum sind zahllose Damen-Friseur-Sitzplätze mit Trockenhauben, unter denen Frauen sitzen, die in Zeitschriften blättern. Ich schaue mich um. Währenddessen begreife ich, dass wir eine Zeitreise gemacht haben und im Jahr 2055 sind. Ein kleines Stück nach rechts den Flur entlang steht ein edler, aber nicht protziger Schreibtisch. Es ist eine Art Empfang. Hinter dem Schreibtisch sitzt ein junger Mann. Er lächelt mir entgegen. Mein Traum-Ich wundert sich darüber, dass es den jungen Mann sympathisch findet. Hat er doch auffällige Ähnlichkeit mit Philipp Amthor. Und es wundert sich darüber, dass der junge Mann trotz der Ähnlichkeit mit Amthor gerade nicht die Ausstrahlung eines kaum der Schule entwachsenen kreuzbraven ostwestfälischen Abiturienten hat, sondern die eines ganz normalen, jungen, etwas scheuen Mannes mit leicht angezottelten fast schwarzen Haaren. Wir kommen ins Gespräch über dies und das (ohne dass ich jetzt noch wüsste, über was). Ich mache mehrere Versuche, im Gespräch unterzubringen, dass ich aus einer anderen Zeit stamme, die 30 Jahre her ist. Aber ich werde diese Aussage nicht los. Mein Traum-Ich ist enttäuscht, dass es gar nicht den erhofften Ansehens-Gewinn erzielen kann ob dieser überaus interessanten Information über seine Herkunft. Beim vielleicht 10. Versuch, dem jungen Mann diese Information zu übermitteln, sagt es: „Jetzt haben wir immer noch nicht darüber gesprochen, worauf es mir eigentlich ankam.“ Im selben Moment wache ich auf.