Tag 27
Wie ist der Stand
In Anderland?
Meine Mutter ist dement. Sie lebt in Anderland. Ihr Aufenthaltsort ist ein Altenheim.
Ich rufe dort an, um mich nach ihrem Befinden zu erkundigen. Die Frau, die gerade am Telefon sitzt, schildert mir ausführlich, wie es meiner Mutter geht. Wie sie isst oder nicht isst, trinkt oder nicht trinkt, reagiert oder nicht reagiert, ab und zu etwas sagt oder nicht, … es gibt keinen Grund zur Besorgnis.
Doch, gibt es, gestehe ich, – mir und ihr. Besorgnis um mich: Wenn ich sie nach Wochen zum ersten Mal wieder sehe, wird sie dann, wie üblich, meinen Namen zwar nicht mehr wissen, aber strahlen?
Oder wird dieser Rest Kontakt, den ich noch leicht verstehe, auch weg sein?
Die Pflegerin berichtet mir, dass sie alle, die dort arbeiten, den Menschen, die noch regelmäßig Besuch bekommen, regelmäßig Fotos von diesen Personen zeigen und mit diesem alten Menschen dann über diese Person sprechen würden. Zum Glück hänge ja auch von mir griffbereit ein Foto im Raum. Wenn sie es meiner Mutter zeige, lache sie immer. Wenn sie sie dann frage, ob sie wüsste, wer das sei, sage sie mit dem Wunsch, möglichst überzeugend zu wirken, damit bloß keine weitere Frage komme: „Natürlich!“ Ich kann mir diesen etwas künstlich erwachsenen tiefen Stimmsitz, den meine Mutter dann hat, sofort lebhaft vorstellen.
Und dann würden sie immer ein wenig über mich sprechen.
Wie meine Mutter reagiere, wenn ich dann irgendwann nach Wochen sie wieder besuche dürfe, wisse sie aber trotzdem nicht.
Aber ich solle mir keine Sorgen machen. „Sie wissen doch: Das Gehirn mag dement werden. Das Herz wird es nicht.“