12. August 2018
(Civitavecchia)
Natürlich wollen wir nach Rom! Und auch wieder nicht. Denn in Rom werden wir uns von Klaus und Heide verabschieden. Wir fahren mit dem Zug dorthin. Obwohl Heide und Klaus ihr Gepäck schon dabei haben, schaffen wir es noch, den Abschied auszublenden. In Rom machen wir das, was wir in großen Städten am liebsten machen. Latschen. Allerdings zuerst unfreiwillig. Wir wollen eigentlich an einer Haltestelle in einen Hop-on-hop-off-Stadttour-Bus einsteigen, um damit zum Collosseum zu fahren und von dort weiter zu spazieren. Wenn wir eine Haltestelle haben, kommt kein Bus. Wenn ein Bus kommt, stehen wir gerade nicht an der Haltestelle. So treiben wir langsam weiter und sind schließlich so nah, dass wir das Collosseum schon sehen. Gut ist dieser Weg. Diese volle Breitseite antiker Stein-Zeugnisse einer gigantischen Großmacht hätte uns womöglich so eingeschüchtert, dass wir schnell weitergegangen wären.
So aber nähern wir uns langsam. Nehmen auch das andere Rom wahr. Das von heute. In dem Menschen wohnen, arbeiten, einkaufen, herumlungern, warten, hetzen, – was auch immer. Sie, die hier leben, relativieren die Wucht der Geschichts-Kollosse, an denen wir staunend und schwitzend entlang gehen. Auch den Trevi-Brunnen nehmen wir mit auf unserer kleinen Erkundung. D.h.: Wir vermuten, dass er es ist.
Sehen können wir ihn so gut wie gar nicht. Zu viele Menschen. Zu viele Andenken-Händler*innen. Zu viele Nippes-Stände. Solche Orte haben sicher die Erfindung der Selfie-Sticks gefördert. Man braucht eine Von-Oben-Perspektive um mit einer Sehenswürdigkeit zusammen ins Bild zu kommen. Kurz zuvor hatten wir in einem Nachrichtenportal gelesen, dass zwei Touristinnen sich genau hier in eine üble Schlägerei verwickelt haben, weil sie sich um einen Selfie-Standpunkt stritten. Der nächste Schritt ist schon in der Pipeline. Demnächst werden Tourist*innen durch die Stadt schwärmen und über ihnen kreist eine per Handy gesteuerte Drohne, die jederzeit bei netten Selfie-Post-Chancen zugreift. Das wird ein lustiger Flugverkehr.
Noch einmal essen wir in einem kleinen Restaurant eine Pizza. Stehen dann an der Bushaltestelle, als wollten wir noch woanders hinfahren. Fast scheint es, als würden wir erst in dem Moment, wo die Köpfe von Heide und Klaus sich noch einmal aus der Menge im Bus recken, um lächelnd zu sehen, wie wir die aus dem Restaurant mitgenommenen weißen Servietten schwenken, begreifen, was das hier ist: Abschied.
Ein bisschen ratlos schauen die Liebste und ich dem Bus hinterher. Dann ist klar: Wir schlendern weiter. Das gemütliche Treiben auf der Piazza Navona hilft uns zurück aus dem Abschied in den Urlaub.
Vorläufig.
Mit dem Sonnnenuntergang kommen dann Melancholie und Besorgnis. Wie wird es jetzt wohl werden auf dem Boot? All diese Verrichtungen, die wir jetzt alleine hinkriegen müssen. Anker fallen lassen, Anker lichten, Segel setzen, Segel bergen, Häfen suchen, Ankerplätze suchen, vielleicht keine finden, die Begegnungen mit Unruhe und Besorgnis bewältigen. Wir schliddern mit unseren umwölkten Gemütern auch an Missstimmungen zwischen uns entlang. Wir finden das Gleis nicht, von dem aus der letzte Zug uns nach Civitavecchia zurückbringen soll. Was, wenn wir ihn verpassen? Ein Augenbrauen-Zucken der Liebsten, als es einen Moment lang so aussieht, als hätte ich die Rückfahrkarten verschlonzt, schafft es gerade eben noch, nicht der Tropfen zu sein, der das Fass zum Überlaufen bringt. Vielleicht ist es ein Glück, dass wir geschafft sind von dem Tag. Zu müde zum Streiten. Und zu klug. Das Schweigen ist zwar dumpf, aber doch erträglich. Schlafen hilft. Morgen werden wir uns wieder freuen.