15. Oktober 2018
(Vibo Valentia Marina – Cosenza)
Kontakt verändert die Welt.
Wir machen einen Ausflug in die Stadt, von der wir in einem früheren Urlaub einmal erfahren haben, dass sie vor langer Zeit die Konkurrenz mit Reggio di Calabria um den Titel „Hauptstadt Calabriens“ verloren hat. Seitdem träumen wir davon, dort einmal hinzukommen.
So nah wie jetzt werden wir dieser Stadt so bald nicht mehr kommen. Also nutzen wir einen weiteren Regentag zu einem Ausflug dorthin.
Schon beim Einfahren empfinden wir die Stadt als sperrig. Die Stadt kämpft mit dem Verfall.
Beim Durchstreifen der Straßen wird uns schmerzhaft klar, was für ein nie endendes Riesenprojekt es ist, so eine Stadt in Ordnung zu halten.
Es ist schwierig, sich zu orientieren. Zwei Flüsse, die hier zusammenfließen, bilden ein Dreieck. Es gibt mehrere Hügel, auf die sich Häuser drängen. Welche Brücke war das nochmal? Ist die Altstadt an diesem Hügel aufwärts oder an dem da? Der regenverhangene Himmel hellt den Eindruck nicht gerade auf. Die Kälte auch nicht.
Also machen wir, was wir dann immer tun. Wir gehen in die nächstbeste Bar.
Ich frage die junge Frau, die hier bedient, nach der Toilette. Sie zeigt nach hinten, sagt aber, ich müsse noch warten, da sei gerade eine Japanerin drin. Ich solle mich setzten. Sie würde mir dann Bescheid sagen. Beim Bezahlen fragen wir nach der Haupteinkaufsstraße. Dort soll es eine Freiluft-Kunstausstellung geben. Sie überlegt, wie sie uns den Weg erklären kann.
Einem Mann an der Theke dauert das zu lange. Also erklärt er es uns kurzerhand. Und, ja, er habe auch von der Kunstaustellung gehört. Sie sei schön.
Inmitten der Kunstausstellung eine Eisdiele. Der junge Mann darin verwickelt uns in ein Gespräch. Wo wir herkommen. Wo wir hinwollen. Ob es uns gefällt in Cosenza. Wir fragen ihn, wo wir seiner Meinung unbedingt hin müssten. Er schickt uns unter anderem zum Theater.
Wir finden und betreten das Theater. In der Eingangshalle schauen wir uns um. Dieses Gebäude und der Platz davor sind besonders liebevoll gepflegt. Von selbst wären wir nie auf die Idee gekommen, weiter ins Innere zu gehen und den „heiligen Raum“, den Ort des Spiels, von uns aus zu betreten. Eine Art Rezeptions-Angestellter, der an einem Tisch in der Eingangshalle sitzt, spricht uns von sich aus an. Wir könnten gerne weitergehen und uns den Theaterraum selber ansehen, wenn wir wollten. Natürlich wollen wir.
Wir streifen weiter durch die Stadt. Es ist Montag. Das Museum, das uns auch noch interessieren würde, hat heute zu. Trotzdem gehen wir hin, weil uns der junge Mann in der Eisdiele auch hierhin geschickt hat. Als wir im Durchgang zum Innenhof des Gebäudes stehen, öffnet ein Mann eine Tür. Er erklärt uns, dass das Museum leider zu habe. Aber wir könnten ja, wenn wir wollten, einen Blick in dieRestaurationswerkstatt werfen. Da werde gerade an einem Bild gearbeitet. Natürlich möchten wir.
Die Restauratorin erklärt uns mit Hingabe, woran sie gerade arbeitet und wie.
Der Weg aus der Stadt ist ganz anders als der Weg hinein. Wir erzählen noch einmal alle unsere Begegnungen nach. Und fragen uns, ob es in Cosenza wohl so ist, wie in so vielen Städten in Calabrien. Dass sich die Stadt, ist es erst einmal Abend geworden, komplett verändert. Dass das milde gelbliche Licht zusammen mit bunten Geschäftsbeleuchtungen den Charakter der Stadt umdrehen. Dass das Marode sich zur Nachtruhe begibt und das Leben die Gassen für ein paar Stunden in Beschlag nimmt. Wir sind sicher, dass wir irgendwann zurückkommen und die Stadt am Abend erleben werden. Vielleicht beginnen wir unseren Weg dann einfach wieder in jener Bar …