27. August 2018
(Ventotene – Ischia)
Das süße Surren der Sirenen säuselt uns ein: „Bleibt doch! So Bleibt doch! Ihr sollt es gut haben. Wir schenken euch liebliche Genüsse aller Art.“
Aber wir segeln weiter.
Weil wir müssen. In ein paar Tagen startet in Neapel ein Flugzeug, das uns zur Beerdigung meines Vaters bringen soll.
Und weil wir wollen. Unsere Reise ist so. Wir werden irgendwo angespült und irgendeine nächste Welle nimmt uns wieder mit.
Also verlassen wir das Schlageritalien-Paradies Ventotene. Wir haben in den Apfel gebissen und kommen dem Rausschmiss zuvor. Die ersten der ungefähr 35 Seemeilen, die wir vor uns haben, verbringen wir eher schweigend. Ab und zu wehmütige Blicke zurück. Ventotene verklingt. Respekt vor den noch immer hohen Wellen und den ausklingenden Resten vom strammen Wind der Tage zuvor. Ab und zu wehmütige Blicke nach vorn. Wir werden meinen Vater beerdigen. Die Trauer fährt mit. Wir merken sie nicht. Nur manchmal schiebt sie sich als bedrückender Umhang um mich, erhitzt den Kopf, verengt den Hals. Fast ein Wunder, dass sie dann auch wieder geht. Bis zum nächsten Mal.
Am Abend laufen wir in Ischia ein. In uns noch die kleine quirlige Beschaulichkeit von Schlageritalien. Und jetzt plötzlich die lässige Eleganz einer mediterranen Urlaubs-Metropole. Ein Kellner, der ein bisschen vor sich hin summt, unsere Blicke bemerkt, und dann mit dem Zauber entspannter Selbstironie über sich selber lacht. Der ein Gespräch mit uns anfängt. Auf Deutsch. Und uns mit geschliffenen Formulierungen erklärt, er habe eine Hotelfachschule in der Schweiz besucht und dort einige Jahre gearbeitet. Noch während ich ihm zuhöre, springen manchmal Bilder von Enrico und Pietro und Marcella in meinen Sinn, lachen und huschen wieder weg. Jetzt, – so sagt der Kellner, beginne eine schöne Zeit. Alles werde etwas ruhiger. Der Trubel gehe und der Sommer bleibe noch.
Ab und zu schreitet kleinschrittig ein mittelalter Mann vorbei. Er ist leicht nach vorn gebückt. Murmelt vor sich hin. Hat einen Gesichtsausdruck, den man nicht deuten kann. Ein bisschen unheimlich. Als könnte jederzeit ein kleiner Gewaltausbruch kommen. Er tritt mehrmals sehr nah an unseren Tisch. Scheint uns anzusehen, aber dann auch wieder nicht. Dann kündet sein Blick eher von einem schieren Schweben in anderen Welten als der unsrigen. Die Kellner hier kennen ihn. Einer wechselt ein paar Worte mit ihm. Auf eine mild respektvolle Art. Der Mann ist einfach dabei. Wir entspannen uns. Die lässige Eleganz nimmt ihn mit.
Wir wollen einen Tag bleiben und fragen den Kellner, der zum Kassieren kommt, was er uns zur Besichtigung empfehlen würde an diesem einen Tag. Er überlegt nicht. Die Aragoner-Burg über Ischia-Stadt. Sie müsse man gesehen haben. Wir kämen von dort hinten mit dem Bus dahin. Lässige ausladende Geste zum „Dort Hinten“. Das italienische „Dort hinten“ erfordert noch mindestens 3 Nachfragen bei Anderen.
So viel Kontakt wie möglich.