Duisburg. Eine Art Liebeserklärung
Türkischer Schlüsselspieler mit Goldkettchen. Labertaschenvokuhila mit schwarzem Blauzahn-Raumschiffchen am Ohr. Drogensuchschlurferin. Kamelbehaarte blonde Businesslady mit schwarzer Leder-Aktenmappe. Laptop-Schreiter. Beide den Abschluss im Blick. Marokkanische Wildlocke, die ihren aufgesexten Po hinter einem Kinderwagen herschaukelt. Eilig. Schwarz beumhangter Mittelalter-Freak mit Geigenkasten auf dem Rücken. Inderin mit Handy. Ihre Zunge sucht das r. Ihre Augen den Gesprächspartner. Irgendwo da oben. Drei etwas zu dicke jugendliche Flintenweiber, die noch nicht so richtig wissen, wer sie sein wollen. Handy-Hantieren. Etwas zu lautes Lachen. So geil, Alter. Sie stehen an einer Ecke herum. Müssen die nicht eigentlich jetzt in der Schule sein?
So viele Herkünfte, so viele Stammplätze im sozialen Status-Regal, so viele Geschichten schimmern aus den Gesichtern, den Kleidungen, den Haltungen, dass sich die ordnende Frage nach der Nationalität – du von hier, du nicht – selber hinfällig macht.
Über allem eine lässige Nervosität.
Eine ältere Dame schlurft vor uns durch die Leckereien-Auslagen im Verkaufsraum des Cafés. Trotz der gebeugten Haltung führt sie noch die Würde eines Wohlstandslebens spazieren.
Dass unsere Enkelin sich so gar nicht für Süßigkeiten interessiert, – hier in diesem Las Vegas zuckriger Begehrlichkeiten, … passt auch in diese Stadt.
Wir nehmen Platz.
Die Kellnerin gleitet heran. Noch eher verschlossen. Abwartend. Die Liebste fragt, ob die Kleine die mit gebrachte Bretzel hier essen dürfe. Sie möge nämlich nichts Süßes. Und Bretzel gebe es hier nicht. Das generös angedeutete lächelnde Nicken der Kellnerin erlaubt.
Diese Servicekraft passt so überhaupt nicht in dieses Geschäft, dass es schon wieder egal ist. Ihre weiß leuchtenden kurzen, ein ganz klein wenig zickig herumstehenden Kurzhaare. Ihre Unzahl an Piercings. Ihre Unzahl an Tattoos. Ein Gesicht, das von einigen Unebenheiten auf dem Lebensweg erzählt. Und dann dieses kleine weiße Schürzchen, in dem die klassische längliche Druck-Klipp-Kassierbörse verschwindet.
Sie gleitet durch den Raum. Sie ist der stille Mittelpunkt dieses plüschigen Alte-Schule-Cafés. Mit größter Selbstverständlichkeit schaut sie zu, wie alte Damen mit zittrigen Fingern Kleingeld aus Portmonaies aus Handtäschchen fingern. Wechselt hier ein paar Worte. Hilft da ins Jäckchen. Ein Traditionshaus. Die Wände sind beinah lückenlos dekoriert mit alten Kaffeemühlen. In der Mitte des Raums die größte Kaffeemühle der Welt. Eingeweiht, so erklärt das stolze Schildchen, von Helmut Kohl. Genau hier gehört genau diese Frau hin. Und wird mit jedem Vorbeigehen an unserem Tisch offener und freundlicher.
Wieder gleitet sie heran. Obwohl das mit der Last eigentlich gar nicht geht. Sie schiebt einen Kinderstuhl an unseren Tisch. Wenn sie möchten? Für die Kleine?
Die Kleine möchte nicht. Auch o.k. Lächeln. Ist ja schon groß, ne?!