Tag 50
Ein Triptychon aus Traum
Ereignisreiche Nacht an der Schwelle zum Tag. Glaube ich. Denn als ich aus dem letzten Traum erwache, beginnt es zu tagen.
Der erste Traum: Eine ältere Frau steht vor einem jungen Paar. Sie übernimmt für ein paar Tage deren Wohnung. In der Szene möchte sie den beiden das Geld dafür geben. Die Beiden finden das Quatsch. Sie solle das Geld doch dem Vermieter geben. Die Frau will das nicht. Ich vermute im Traum, dass ihr das zu kompliziert ist und sie das Bezahl-Thema lieber jetzt erledigt wüsste. Die beiden Jüngeren sind in einer Zwickmühle. Sie möchten einerseits der netten älteren Dame entgegenkommen, andererseits aber nicht die Arbeit haben, das Geld dann ihrerseits beim Vermieter abliefern zu müssen. Mein beobachtendes Traum-Ich überlegt begleitend, welche Lösung denn jetzt die richtige wäre, kommt aber nicht drauf. Ende. Ich weiß nicht, ob ich kurz wach werde.
Der zweite Traum: ich sitze auf dem Klo. Es steht in einem offenen Raum. Rechts von mir ein Treppenhaus. Lichtdurchflutet. Es ist ein schick gestyltes Glaskonstrukt mit schmalen Metallstreben. Mir direkt gegenüber, ziemlich nah, eine Wand. Von rechts kommt ein Mann durchs Treppenhaus hoch und geht auf mich zu. Ein gutes Stück hinter ihm eine Frau. Da die Wand mir gegenüber sehr nah ist, können die Beiden wohl nicht einfach so vor mir vorbeigehen. Wie selbstverständlich drehe ich mit der ganzen Kloschüssel einfach nach links. Wie auf einem Bürostuhl. Die Beiden gehen seitlich an mir vorbei. Mein Traum-Ich wundert sich, dass ihm das nicht peinlich ist. Mit runtergelassener Hose auf einem seitlich gedrehten Klositz unmittelbar neben zwei an mir vorbei gehenden Fremden. Als sie durch sind, drehe ich wieder zurück. Mein Blick fällt gegenüber nach draußen. Diesmal rührt sich mein Traum-Ich nicht, denn es wundert sich nicht, dass ich einfach so geradeaus nach draußen gucken kann. Schließlich war hier gerade noch eine Wand. Es registriert das emotionslos. Draußen, etwas weiter weg, jenseits einer Straße ist links eine kleine Siedlung mit mehreren winzigen Häuschen. Sie sind alle unterschiedlich. Die Häuschen selbst und das jeweilige Drumherum ist ein einziges verspieltes buntes Durcheinander von verschiedenen Gefährten, Kinderspielgeräten, Wäscheleinen, Rasenmähern. Ein wenig wie ein Landschaftsausschnitt einer Modell-Eisenbahn-Anlage. Rechts daneben ein modernes, mittelgroßes Hochhaus, architektonisch interessant. Glas und Stahl, aber nicht protzig, eher verspielt. Ähnlich dem Treppenhaus rechts neben mir. Ist es mein Traum-Ich, oder mein Ich-Ich, das sich einen kurzen Moment fragt, ob das Gebäude, in dem ich bin, vielleicht von außen genauso aussieht? An mehreren Stellen an dem gegenüber liegenden modernen Hochhaus hängen große braune Frottee-Betttücher, rechts und links jeweils an dünne Stahlleinen geklippt, vor der Fassade herab. Ich frage mich im Traum, was das wohl ist. Dann fällt es mir ein. Ach ja, da ist ja ein Studentenwohnheim. Kurz darauf schwingt sich ein junger Mann an einer Leine aus dem Fenster auf eines der Bettücher. Gesichert mit der Leine seilt er sich mitsamt Bettuch ab. Kurz vor dem Boden: Ende. Ich weiß nicht, ob ich kurz wach werde,
Der dritte Traum. Ich gehe durch einen Flur, nähere mich dem Badezimmer. Dessen Eingang ist wiederum ein Flur. Ein kürzerer mit zwei Türen. Die erste Tür zu dem Flur, in dem ich stehe, ist offen. Die zweite zum Badezimmer selbst verschlossen. Ich höre das klassische Geräuschszenario einer laufenden Dusche. Durch die offene erste Tür sehe ich in dem kleinen Flur zum eigentlichen Badraum bestimmt 40-50 cm hoch das Wasser stehen. Darin strudelige Fließbewegung. Als würde immer noch Wasser nachlaufen. Merkwürdigerweise steigt der Wasserstand, aber das Wasser fließt nicht aus dem kleinen Flur heraus in meine Richtung. Mein Traum-Ich fragt sich, wie das sein kann. Sucht eine unsichtbare Wand. Etwa eine Scheibe. Da ist aber keine Scheibe. Dann entscheidet mein Traum-Ich, dass das jetzt unwichtig ist. Denn die Liebste muss aus der Dusche raus. Wer weiß, wie hoch da das Wasser steht. Ich rufe: „Du musst sofort aus der Dusche raus!“ „Geht nicht“, höre ich gedämpft zurück durch die Tür, „sitze gerade auf dem Klo!“
„Das kann nicht“, hört mein Traum-Ich sich selber denken, „die sitzt niemals auf dem Klo und lässt gleichzeitig die Dusche laufen!“ Mit sich überschlagenden Traum-Ich-Erklärungsversuch-Gedanken reißt der Traum ab. Ende.
Als ich zurückgefunden habe ins Wach-Dasein, rattert sofort das Rational-Maschinchen im Kopf los. Ist doch klar, der Traum ist eine Auseinandersetzung mit der Tatsache, dass du offenbar schon seit einiger Zeit pinkeln muss.
Ich stoppe das Maschinchen und während ich mich unwillig aus dem Bett schäle, freue ich mich daran, dass die Hirnströme in meinen angeblich grauen Zellen soviel Bilder-Spiel-Wirbel um eine eigentlich banale Sache machen..Sie fabulieren halt gerne. Ich vermute, sie tun es oft.
Auch bei anderen Menschen.
Wahrscheinlich nicht nur im Traum.
Das Leben ist die Erzählung davon.