Tag 32
Kö-/\-elbecke
Wir sind auf dem Rückweg. Möglichst lange wollen wir mit dem Rad an der Emscher lang. An einer Baustelle ist Schluss. Wir müssen ausweichen. Von einer Parallelstrecke – etwas weiter weg – fällt unser Blick immer wieder auf das Gelände. Im Hintergrund eine riesige Industrie-Anlage, die wie eine Raffinerie anmutet. Ist vielleicht auch eine. Davor zwei parallele Baumreihen. Wenn man es nicht besser wüsste, würde man dahinten eine lauschige Allee vermuten. Sie säumen eine stinkende Kloake. Die Emscher. Genannt: Köttelbecke. Die beiden T’s darf man nicht sprechen. Sie werden nur durch einen kurzen Kehlkopfverschluss als Stopper angedeutet.
Dann erinnern wir uns. Genau hier haben wir mal mitten auf der Wiese vis à vis von der sagen wir: Raffinerie übernachtet. Auf einer Holzbrücke. Eine Kunstinstallation mit dem Namen „Warten auf den Fluss“. Eine chinesische Zick-Zack-Brücke, deren Zick-Zack böse Geister davon abhalten soll, den Fluss, den sie überspannt, über sie zu überqueren. Hier wäre sie eigentlich nicht nötig gewesen. Die bösen Geister können ja riechen. Damals erinnerte diese ungeheuer schöne Konstruktion daran, dass dereinst an dieser Stelle die renaturierte Emscher in ihrem alten Bette plätschern sollte. Die Brücke führte also über einen zukünftigen Fluss. Was für eine schöne Idee!
Genau hier ist jetzt Baustelle. Eine Riesenbaustelle. Sieht aus, als würde an einer Autobahn gebaut. Oder einer höhergelegten E-Bike-Rennstrecke. Ein sauber geformter Deich, geometrisch exakt geneigte Wangen, in leichtem Bogen über eine lange Strecke sich von der Emscher weg- und wieder in ihre Richtung zurück biegend. Oben drauf mehrere schwere Maschinen. Eine von ihnen walzt gerade was.
In meiner Phantasie sehe ich eine E-Bike-Reisegruppe auf dem Deich. Alle korrekte Einsfuffzig voneinander weg. Interessierte Blicke. Ein Reiseführer mit ziemlich spack sitzender Radlerhose redet in ein Headset-Mikro. Hier, so erklärt er und rührt mit Hand in der Luft zwischen Deich-Neubau und Raffinerie, – hier soll die Emscher später einmal fließen und sich bei Hochwasser ausbreiten dürfen. Da vorne ist ja noch die alte Emscher. Die Köttelbecke. Höhö. Eigentlich ist es ja die neue Emscher. Die alte Emscher floss ja hier. Also: Dahinten fließt quasi die alte neue Emscher und hier die neue alte. Höhö.
Zufrieden radelt die Gruppe wieder von dannen.
Ich auch.
Als wir ein Stück später wieder an der alten neuen Emscher entlang radeln können, spüren wir tatsächlich doch einen Hauch von Renaturierung: Sie stinkt nicht.