Vor genau 4 Wochen, am 20.08.2020, bricht Alexei Anatoljewitsch Nawalny in einem Flugzeug über Sibirien zusammen. Schon bald wird ein Giftanschlag vermutet. Fast ebenso schnell steht im Raum, dass „Moskau“ für diesen Anschlag verantwortlich sei. „Moskau“, … wer oder was immer damit gemeint sein könnte. Es entsteht der Eindruck einer finsteren Macht um Putin herum, vielleicht er selber, die rigoros regierungsfeindliche Kräfte „ausschaltet“. Auch Donald Trump nutzt diesen Begriff gelegentlich. Als wären Menschen, die als Bedrohung definiert werden, Aggretate, die die reibungslose Funktion der Maschine stören, und die man deshalb abschalten muss, damit kein Schaden entstehe. Nawalny wäre nicht der erste „Kreml-Kritiker“ – auch dies ein gern geschriebener und gelesener Frame –, der per Mordanschlag „unschädlich“ gemacht wurde bzw. gemacht werden sollte. Ich merke, dass das auch bei mir wirkt. Sehr eindrücklich hat sich dieses Bild von Wladimir Wladimirowitsch Putin vom G-20-Gipfel eingebrannt, auf dem er im Gespräch mit dem saudi-arabischen Kronprinzen Salman ibn Abd al-Aziz zu sehen ist.
Es entstand kurz nach dem Mord an dem „Regierungs-Kritiker“ Jamal Khashoggi. Die Beiden – Salman und Putin – feixen einander an wie Fußballspieler in der Kabine, die sich gerade abgeklatscht haben, weil der ausgekochte Stürmer mit einer Schwalbe einen Elfmeter provoziert hat, der dann zum Sieg führte.
Üble, gewaltbereite Machtmaschinenmenschen, so phantasiere ich.
Und natürlich bin auch ich empfänglich für die „Selbstverständlichkeit“, mit der Herr Putin den Anschlag auf Nawalny zu verantworten hat.
Zugleich kämpfe ich dagegen an. Was weiß denn ich, wer was tief unten in den Kanalisationsgewölben der internationalen Geld- und Machtpolitik mit welchen kruden Motiven ausgeheckt hat?!
Und so phantasieren die Liebste und ich als kleine Gegenwehr gegen die so gern empfangenen Deutungs-Selbstverständlichkeiten nach dem Gift-Anschlag auf Nawalny möglichst zynische Varianten, welche Kanalisationsgewölben-Clique ein Interesse hätte, Nawalny zu töten.
Eine der Varianten – und die finden wir dann besonders weit her geholt: Trump – auch so ein immer wieder gern gesehener Bösewicht – habe die CIA beauftragt, Nawalny zu töten mit einem in russischen Laboren entwickelten Nervengift. Der Verdacht würde auf die russische Administration fallen. Die Europäer würden erbost über diese perfide Entgleisung der Macht sich von Putin distanzieren und das Kooperations-Projekt „North-Stream 2“ stoppen. Und schon wäre den Amerikanern ein Weg frei, dem energiehungrigen Europa amerikanisches Fracking-Gas zu liefern.
Wir kichern. Und vergessen unser Spielchen wieder.
Heute lese ich in einem Artikel der „Zeit“, dass der Bundesfinanzminister angeboten hat, eine Milliarde Euro zur Verfügung zu stellen, damit in Brunsbüttel und Wilhelmshaven Spezialterminals gebaut werden können. An diesen könnten dann amerikanische Tanker Fracking-Gas anlanden.
Inneres Kopfschütteln bis kurz vor dem Schwindel.
Aber wie das eben immer so ist. Mein „Ha!!!!“ bekommt einen gehörigen Dämpfer, denn im selben Artikel steht am Ende, dieses Scholz-Angebot sei schon vor dem Anschlag auf Nawalny über den Teich gewandert.
Bin ich den Ränkeschmieden in den Kanalisationsgewölben der internationalen Geld- und Machtpolitik wohl doch nicht auf die Schliche gekommen, – damals am Tag nach dem Attentat auf Nawalny.