Berlin ist arm. Aber sexy?
Berlin-Mitte. Der Hauptbahnhof könnte ein richtig schönes Gebäude sein. Zumindest eines, das mit seinem Betonglas-Stahl-Protz nicht nur einschüchtert. Sondern das Betrachten mit innerem Glanz belohnt.
Könnte … Denn die Umgebung macht diese Chance zunichte. Sie macht das Gebäude zu einem missglückten Versuch. Der wahrscheinlich als Modell beim Bewerbungsverfahren, begleitet von einer schicken Präsentation, noch inspirierend war, die Phantasie anregte. Ein Phantasie, die jetzt, Wirklichkeit geworden, verloren in einem trotz der Menschenfülle unbelebten Nicht-Quartier steht. In Tristesse verendet. Überkritzelt von großen um sie herum in die Welt geflanschten streng rechtwinkligen Quadern. In einem von ihnen mein Hotelzimmer. Das Hotel ist Teil einer Hochhauszeile, die auf ebener Erde mit ihren schicken Eingangsvordächern, ein paar Kübelpflanzen, ein paar Sonnenschirmen und ein paar Leuchtlettern auch nur wie ein trauriger Rest verblichener Lebendigkeitsphantasie ist.
Am Morgen begebe ich mich vom Hotel zur Tram. Passiere einen Bauzaun. Er ist nach außen aufgeschickt mit einer roten Plane. Werbeschriftzüge einer Immobiliengesellschaft. „WHERE PEOPLE LOVE TO WORK“. Nebenan eine Outdoor-Pop-Up-Cocktail Bar.
Ein Mann hockt vor der Plane. Er hat einige Botschaften an sie geheftet. Heftzweckenpieksen belebt schreiende Immo-Werbung.
Ich spreche ihn an. Er antwortet auf Englisch. Also wechsle ich auch die Sprache. Ob er mir von seinem künstlerischen Projekt erzählen mag. Das möchte er. Es sei eigentlich kein Kunst-Projekt. Er lebe auf der Straße und habe diesen Platz ein wenig gestaltet. Auf dass er einlade zu lesen. Zu betrachten und dann vielleicht etwas in seinen Becher zu werfen. Er wolle nicht einfach nur betteln. Er wolle auch zum Nachdenken anregen.
Nach dem kleinen Gespräch verabschieden wir uns. Schon kurz vor der Tramstation kehre ich wieder um. Spreche ihn nochmal an. „Sorry, I forgot to ask you for your name.” “Ahhh, yes! My name is Morten and what’s your name?” “Martin.”
Wir wechseln ein Strahlen. Nur zwei Buchstaben Unterschied. Zwischen zwei Welten. Mit gleichem Namen.