coronawoche1

Tag 7

Endlich Zeit, die wirklich wichtigen Probleme zu lösen. Z.B. das Problem, dass ich, wenn um den 28. Dezember herum die allerletzte Marzipan-Kartoffel gegessen ist und es unter meiner Würde ist, dann von den runtergesetzten Restbeständen zu kaufen, weil eben einfach nicht mehr Weihnachten ist, – dass ich dann ein ganzes Jahr warten muss.
Wir kreieren die
„Marzipan-Kartoffel,
Premium Easter Edition.“

Marzipankartoffeln als Hase mit Mandelohren

 

Tag 6

Lagerkoller? Die Liebste und ich reden irgendwas über Kurzarbeit. Sie fragt sich, was Beitragsbemessungsgrenze bedeutet. Ich habe das schon mal gehört und fange an, mein Halbwissen wissend auszubreiten. Mittendrin sagt die Liebste, sie müsse das unbedingt mal googeln. Ich bin starkstrombeleidigt. Äußere das. Sie dann auch. Wir pratten eine ganze Weile. Bis ganz kurz vor die „Jetzt-wird’s-ernst-Grenze“.

Tag 5

Am frühen Morgen hole ich Brot und Brötchen. Beim Lieblingsbäcker. Die Schlange draußen reicht von der Eingangstür über die Fußgänger-Laden-Straße davor, macht einen Knick und zieht sich dann noch an zwei Häusern entlang. Es sind nur ein paar Menschen. Sie halten tatsächlich die 2m ein. Wir alle scannen immer wieder mal unsere jeweilige Umgebung. O.k. stimmt noch.
Wieder draußen steige ich auf’s Fahrrad und bleibe ziemlich genau 2m vor der Ampel stehen. Es dauert eine Weile, bis ich es bemerke.

Tag 4

Von einem warmen Blimmer-Ton begleitet, öffnet sich der Bildschirm und die Enkelin ist zu sehen. Sie liegt auf dem Sofa unter einer Kuscheldecke und windet sich unglücklich. Sie hat sehr schlecht geschlafen, klärt uns die Mama auf. Eigentlich will die Mama mit dem kleinen Bruder im Arm jetzt aus dem Raum gehen wie üblich, damit die Enkelin wie üblich mit uns alleine spielen kann. Aber die möchte das heute nicht. Dass sie bleibt aber auch nicht. Sie will irgendwie nichts und irgendwie alles und irgendwie gleichzeitig und irgendwie geht das nicht. Und beugt sich auf und fällt wieder zurück.
Die Mama macht noch einen Versuch zu gehen. Wir wollen die Enkelin trösten: „Guck mal, wir bleiben doch hier.“ Die Enkelin ist nur noch Klage, die ihre Augen an die Zimmerdecke senden:
„Aber nicht in echt.“

Tag 3

Ich bin schon dazu übergegangen, die Experten, die mir täglich via Bildschirm begegnen, zu duzen. Den Christian, den Lothar. Ich würde einen von ihnen gerne mal in Ruhe sprechen. Mit Zeit für eine Antwort.
Wenn ein/e Journlist*in fragt, – was im übrigen auch ich mich frage –, warum gemessen an der Zahl der Erkrankungen die Zahl derer, die sterben müssen, in Deutschland vergleichsweise deutlich kleiner ist als in anderen Ländern, ist die Standardantwort: Weil in Deutschland sehr viel mehr getestet wird als anderswo. Frage: Wo kann ich mich testen lassen? Das scheint ja zu schützen.

Tag 2

Ich lese in den letzten Tagen vermehrt, dass Profifußballer, Trainer und Vorstände auf „Teile ihres Gehaltes“ verzichten. Man wolle in diesen schwierigen Zeiten dafür sorgen, dass der Verein seine Mitarbeiter*innen auch bei ausbleibenden Einnahmen weiter bezahlen kann. Daraus schließe ich, dass er bei finanzieller Schieflage Kurzarbeit für sie anmelden oder ihnen im schlimmsten Fall kündigen müsste.
Frage: Wieso eigentlich den Platzwart entlassen? Würde es nicht viel mehr Einsparung bedeuten, z.B. den Starstürmer zu entlassen?
Frage: Warum nicht Kurzarbeit beantragen? Der durchschnittliche Spieler bei Schalke 04 verdient 2,4 Millionen Euro im Jahr. Angenommen, die durch Corona hervorgerufene Krise dauert 2 Monate. In diesen zwei Monaten verdient er 400 000 €. Nehmen wir an, der Verein beantragt Kurzarbeit für sie, weil sie im Moment nur für eine Arbeitsleistung von 50% gebraucht werden. Der Verein müsste dann nur noch 200 000 € für ihn bezahlen, macht bei einem Kader von 25 Spielern 4,5 Millionen € Ersparnis. Mit diesem Geld müssten die kleinen Angestellten im Verein doch 2 Monate bezahlbar sein. Ein bisschen was für die Portokasse bekämen die Spieler dann noch per Kurzarbeitsgeld. 60% (ohne Familie) bzw. 67% (mit Familie) der Beitragsbemessungsgrenze von 6900 €.
Wahrscheinlich scheitert dieses Modell daran, dass der Betriebsrat der Spieler zustimmen müsste. Ich kann mir nicht vorstellen, dass es einen gibt.

Tag 1

Coronaide Liebes-Erklärung

So sehr
Verinfiziert
Bin ich von dir
Dass tief in mir
Aufwallend fiebrige Verzückungsmoleküle tollen.

Ich würde keinesfalls
– und sei es nur partiäre –
Heilung wollen.

Tag 0

Strenge Ausgangsregeln sind beschlossen. Gut, dass es diese Sing-Aktion gibt. Fast wie ein Trost. Ich versuche  die Tonart rauszufinden, in der wir alle dann in ganz Deutschland singen und spielen werden. Und ich suche, in welchem Radiosender eine Begleitmusik gespielt wird. Ich meine, ich hätte sowas gelesen. Finde es aber nicht. Schließlich beende ich die Suche. Es ist 18:00. Die festgelegt Zeit. Wir öffnen das Fenster. Die Liebste singt. Ich spiele Klavier. Die Tonart wählen wir selber. „Freude, schöner Götterfunken“.
Das Ganze ist weder flash, noch mob. Wir sind die einzigen weit und breit. Jedenfalls bei uns in der Siedlung. Falls es irgendwo anders anders war: Leute!! Wir waren dabei!!