einunddreissig

Brief an Infantino

Wer wollte nicht verstehen

10 Jahre lang von 2005 bis 2015 musste in Nordrhein-Westfalen eine Lehrerin, die ein Kopftuch tragen wollte, sich fragen, ob sie den Mut hat, das Risiko einzugehen, vielleicht ihren Job zu verlieren, wenn sie ihren Wunsch in die Tat umsetzt. Die CDU-geführte neue Regierung hatte als erstes Gesetz in ihrer Regierungszeit ein Verbot des Kopftuches beschlossen. Wer wollte nicht verstehen, wenn sie dieses Risiko lieber nicht eingegangen ist.

Ein junger Vater in der Probezeit an einem neuen Arbeitsplatz, dessen Chef von ihm verlangt, keine Kinderkrankentage zu nehmen, um seine Präsenz am Arbeitsplatz nicht zu unterbrechen, muss sich fragen, ob er das Risiko eingeht, dass er nach seiner Probezeit nicht übernommen wird, wenn er sich auf sein gesetzlich verbrieftes Recht beruft und für die Kinderkrankentage kämpft. Wer wollte nicht verstehen, wenn er dieses Risiko lieber nicht eingeht?

Ein junger Gastronom hat ein Schild an seine Eingangstür gehängt. Es weist darauf hin, dass sich hier „alle duzen“.  Der Kreis kleinstädtischer Honoritäten, der sich regelmäßig hier zum Frühstück trifft, ignoriert das. Siezt das Personal, und lässt es – möglich durch die aufgebaute Distanz – tanzen, wie man Personal eben tanzen lässt. Der junge Gastronom muss sich fragen, ob er das Risiko eingehen will, diese Kundschaft und auch die Werbung für seinen Laden, die von diesem honorigen Kreis ausgeht, zu verlieren, wenn er diesen Menschen gegenüber auf die an der Eingangstür erbetene „Kultur“ im Laden erinnert und bittet, dies zu respektieren. Wer wollte nicht verstehen, wenn er dieses Risiko lieber nicht eingeht?

Dänische Fußballer haben den Wunsch, beim Training (ja: beim Training!) während der WM in Katar eine Armbinde zu tragen mit der Aufschrift „Human rights for all“. Sie möchten damit auf die traurige Menschenrechtssituation in dem Land hinweisen, in das sie reisen, um an der Fußballweltmeisterschaft teilzunehmen. Der Fußballverband, der diese WM veranstaltet, und bei dem sie die Erlaubnis dafür beantragt haben, verbietet das. Die jungen Fußballer müssen sich nun fragen, … ehm, … müssen sich fragen, … ja also …, müssen sich fragen, … na ja, also mindestens müssen sie sich fragen, ob sie nicht in Zukunft lieber auf die sprachlichen Insignien kämpferischer Männlichkeit verzichten. Als da wären: „wir müssen gallig in die Zweikämpfe gehen“, „wir müssen über den Kampf zum Spiel kommen“, „wir müssen auch mal härter einsteigen“, „wir haben dem Druck standgehalten“, „wir brauchen Eier“.

Ich finde die Korrektheit der Fußballer, das Tragen einer solchen Binde überhaupt zu beantragen und ihre Scheu, sich über das Verbot einfach hinwegzusetzen, zwar nicht unbedingt euphorisierend oder Vorbild-tauglich, aber beruhigend. Sie sind eben doch ängstliche kleine Fifa-Beamte. Sie sind Pussis. Wie schön. Wer wollte nicht verstehn …

 

Drachentöterchen

Wolf Biermann, ich habe das Interview mit Dir gelesen. In der „Zeit“. Also – ich habe angefangen. Und war genervt (milde gesagt). Und dachte: Ich muss Dir antworten. Und da ich das seriös machen wollte, musste ich es auch noch zuende lesen. Und auch noch mehrmals. Diesen Oberlehrer-Blödsinn.

Mein Gott, Wölfi, bist Du eitel. Und wie Du unbeirrt den Besserwisser gibst, der die Weisheit mit Schöpfkellen gefressen hat. Und nicht merkst, dass es die sind aus der Puppenstube. Genauso wie der Drachen der Firma Schleich, den Du gar nicht töten musst. Er war ja nie lebendig. Du Drachentöterchen.
Wie Du selbstgefällig auf Dein Werk schaust, jede Gelegenheit nutzt, Dich selbst zu zitieren, sogar larmoyant ein bisschen billige scheinbare Selbstkritik einwebst, die beim zweiten Hinhören auch nur Selbstbeweihräucherung ist.  Du fändest Dein Lied „Mein Junge, du fragst mich …“ heute, sagst Du, zum Kotzen. Wolf! „Kotzen“- das war mal irgendwie aufmüpfiger Berliner Hinterhof-Gestus als Gegenpart zum Elfenbein-Jargon. Heute ist das RTL 2. Schon mitgekriegt? Du fändest, sagst Du, das Lied zum Kotzen, hättest es aber trotzdem in deine Sammlung „Alle Lieder“ aufgenommen. Ja, wie denn auch nicht, hallo??!!, sie heißt ja „alle Lieder“. Und dann verkauft Du uns selbst diese Selbstverständlichkeit noch als wohlmeinenden pädagogischen Akt. Der geneigte Leser solle sehen, dass der Drachentöter Wölfilein auch nicht immer ein Drachentöter gewesen sei. Und brav soll man ergänzen: Und heute aber einer ist. Und ein Rebell. Mensch Biermännchen, das ist autoritärer Katheder-Blödsinn. Sonst nix.

Und wie Du altväterlich ironisch Greta Thunberg „Menschheitsretterin“ nennt, um gleich danach auf pubertäre Schwärmerei zurückzuschneiden, indem Du einen Pubertätsschwank aus Deinem Leben erzählst, den, wo Du als Junge einen Ladenbesitzer frech darauf aufmerksam gemacht habest, dass man doch so kurz nach dem Krieg kein Kriegsspielzeug verkaufen dürfe. Wenn die Geschichte mann überhaupt so stimmt. Aber sie soll eben zeigen, dass Du schon als Kind der mutige Rebell warst, und Greta nur die von Dir ironisierte Selbstüberschätzerin ist. Ach, Wolle!!

Und wie Du auch die Gelegenheit nutzt nochmal kundzutun, was eh alle wissen, dass Dein Vater in Ausschwitz ermordet wurde. Ein doppelter Märtyrer. Jude und Kommunist. Kann man als linker Elfenbein-Moralist bessere Gene haben? So träufelt das auf mich herab, wenn Du es so grundlos nochmal erwähnt. Und verätzt mir mein linkes Gemüt, das sich so oft an Dir gewärmt hat. Doof genug, ja, und irrational, ja, aber Du hast das Gesöff doch auch gesoffen.

Am Ende aber, Wölfchen, wird es richtig unangenehm.

Dass Du so tust, als müssest Du jetzt, wie damals als Kind, wieder Krieg erleiden, – das riecht nun doch ein bisschen streng altherrisch. Und stinkt nach Legende. Die Du jetzt schon lieber selber schreibst, bevor es die Nachwelt dann womöglich falsch macht. Es schließe sich jetzt ein Lebenskreis. So steht das in billigen Beweihräucherungs-Biografien. Du seist aus dem Krieg gekommen, und fändest Dich jetzt dort wieder. Was für ein Quatsch! Immerhin bist du doch gerade noch ohne Angst draußen gewesen. Apfel pflücken. Hätte Eva ihn doch bloß schnell weggezogen! Das schnallst Du natürlich. So doof bist Du nun wieder nicht. Und schickst – ganz der schnellgeistige Streber – noch schnell hinterher, dass der Krieg natürlich 1000 Kilometer weit weg sei, aber dank des allgegenwärtigen Sirenengeheuls der Medien dann doch ganz nah. Nee, Wolf!, diese Logik funktioniert nicht. Das Blut, das aus der Glotze trieft, ist Kunstblut. Auch wenn es echt ist. Versteße?!

Und wie Du Dich dauernd selber mit Ruhm bekleckerst.

„Ich muss so viel wie möglich sehen, hören und tiefer begreifen.“ Tiefer als wer? Nein, Red dich jetzt nicht raus.  So in der Art „…poetisch gemeint…tiefer als auf den ersten Blick“. Würde immer noch bedeuten. Du kannst. Andere nicht. Wer weiß, vielleicht bildest Du dir nur tiefer ein, Du könntest. Poetisch gemeint.

Und: „Ich musste gelegentlich etwas mutiger sein als andere …“ Oder „…Melancholie. Sie ist der Überlebenskampf, den ein kluges Herz wagen muss…“.
Und (auf die – ziemlich dämliche – Frage, ob Du kriegerisch seiest): „ … streitbar, aber ich bin zugleich sanfter als andere Leute.“

Und dann zitierst Du Dich wieder mal selbst und dann auch noch den Text, der dir Gelegenheit gibt, nonchalant so ganz nebenbei zu erwähnen, dass Du diesen Text mal Angela Merkel vorgelesen hättest. Wow! Wowwi! Du hast in dasselbe Kissen gepupst wie die Bundeskanzlerin und erlaubst Dir – ganz der wohlmeinend auf die Schülerin herabblickende Oberlehrer – sie „Christenkind“ zu nennen.

Und Deine Bonmots: „Zu kurz gedacht und zu lang gefühlt“, Petrarca, ick hör dir trapsen. (Ja, Wolf, ich kann das auch, dieses Belesenheits-Getue.)

Und: Du nennst Precht und Welzer „Second-Hand-Kriegsverbrecher“. Statt dauernd den Poeten zu spielen, könntest du mal erklären. Es reicht nicht, wortgewaltig abzukanzeln, Wolfgang. Kleine Erinnerung: Kriegsverbrecher sind brutale Folterer. Diese Metapher findest Du also angemessen gegenüber Precht und Wälzer?!? Übrigens: Auch Du musst schon lesen, und nochmal lesen, und zuhören, Dich auseinandersetzen, meinetwegen „tiefer“ denken und dann den Versuch machen, Deine Gedanken aufzufächern, nachvollziehbar zu machen, und zwar so, dass man versteht: Es ist ein Versuch.

Als Du im Bundestag aufgetreten bist und Dich im Glanz der Macht gesonnt hast, da hast Du mich noch richtig geärgert. Ich hab Dir damals sogar ein Gedicht geschrieben. (Ich zitier das jetzt nicht.) Heißt: Ich hab Dich doch irgendwie noch ernst genommen. Jetzt entwickle ich langsam Gefühle, die denen ähnlich sind, die ich meinen alten Eltern entgegenbrachte. Nur: Die hatte ich dann doch irgendwie gern, auch wenn sie den größten Scheiß erzählten. Man hatte ja nur die.
Aber Dich? Du Schaf im Wolfspelz?

Machtwort

Ich kann froh sein. Ich lebe in einer Demokratie. In ihr wird eine sachliche und kritische Informationskultur gepflegt.
Und so erlebe ich, wie in einem seriösen Sender in einer der wichtigsten Sendungen für Informationen und ihre Hintergründe eine hochgeschätzte, vielfach ausgezeichnete Moderatorin am Montag, den 17.10.2022 in der Sendung „Tagesthemen“ einen Politiker interviewt und bin im Wortsinn: Ent-geistert.

Tagesthemen kurz vor der Sendung

Schon der Anfang irritiert mich. Ausufernde Heiterkeit. Zur Schau gestelltes „Off“. Kein Ton. Aber Bild. Der Co-Moderator lacht herzhaft. Und bekommt auch beim Beginn des Jingles, als die Moderatorin sich schon dem Publikum zuwendet, sein Lachen kaum gebändigt.
Ich brauche das nicht, diesen Schein von Privatheit, womöglich, damit es mir inmitten der Dramen der Welt kuschelig bleibt. Aber ich habe mich daran gewöhnt.

Der Aufmacher der Sendung ist eine Entscheidung des Kanzlers in der Causa „Weiterlaufen von Atomkraftwerken“. Schon lange stehen sich unversöhnliche Positionen von FDP und Grünen gegenüber. Die Zeit drängt. Die gesetzlich festgelegte Abschaltung droht. Der Kanzler macht Gebrauch von seiner Richtlinien-Kompetenz.

Frau Miosga moderiert das Thema an. Natürlich fällt das Wort, das schon den ganzen Tag nervt: „Machtwort“. Es winkt die Sehnsucht nach der oder dem Starken, die oder der die Dinge regelt. Im Weiteren dann ihre Sätze: „[…] Doch wo war eigentlich die SPD? Abgetaucht. Der Kanzler hat es […]  bislang gemieden, seinen Koalitionspartnern zu sagen, wo es lang gehen sollte. Doch, – stille Wasser sind offenbar tief. In diesem festgefahrenen Konflikt musste er die aufgehitzten Minister-Gemüter abkühlen und ein Machtwort sprechen […].“

Mehrere Frames werden aktiviert. Einige in den letzten Wochen so oft wiederholt, dass sie selbst informations-scheuen Menschen bekannt sein dürften:
1. Die SPD verweigert Verantwortung („abgetaucht“).
2. Der Kanzler (der Chef eben dieser SPD) greift nicht durch. er lässt den Laden laufen. Er ist ein fader Regierungschef.
3. Die beteiligten Minister waren grenzwertig eskaliert („aufgehitzte“ Gemüter“).
4. Der Kanzler wird erst dann aktiv, wenn es gar nicht mehr anders geht („musste ein Machtwort sprechen“).
Dazu noch:
5. Die Moderatorin informiert nicht nur, sondern inszeniert auf sprachgewandte Art die Nachricht, indem sie z.B. eine Metapher ausdehnt und sprachlich bespielt: abgetaucht – stille Wasser – aufgehitzt – abkühlen.
6. Die Moderatorin ist so gut „im Stoff“, dass sie weiß, dass Ministergemüter „erhitzt“ sind und ein Kanzler gar nicht mehr anders kann.

Nach der Anmoderation folgt ein Zusammenschnitt von O-Tönen von Politiker: innen verschiedener (gegensätzlicher) Couleur. Daran schließt an: Ein Interview mit einem der Hauptakteure: Wirtschaftsminister Robert Habeck.  (Die nun folgenden Aussagen von Frau Miosga sind ungekürzte Original-Zitate.

1. Frage: „Noch am Wochenende ist Ihnen Ihr Parteitag – zähneknirschend muss man sagen – gefolgt und hat den Reservebetrieb von 2 AKW beschlossen, und heute nun weist der Kanzler den Leistungsbetrieb von allen 3 AKW an. Was ist das aus Ihrer Sicht? Eine bodenlose Frechheit?“
Die Moderation versucht die vermutete Erhitzung aufrecht zu halten und zu verschärfen. Sie legt die Vorstellung nahe: Ein Alpha-Tier führt endlich. Aber es führt ein anderes Alpha-Tier, das wiederumg sein eigenes Alpha- Dasein vorher bewiesen hat, indem ihm ein Parteitag gefolgt ist. Letzteres müsste empört sein, weil der Schatten eines größeren Alphas auf sein eigenes kleineres fällt.
Herr Habeck erklärt, dass der Kanzler eine verfahrene Situation aufgelöst habe. Er selbst könne mit der Entscheidung leben und werde dafür werben, damit jetzt konstruktiv zu arbeiten.

2. Frage: „Wie stehen Sie jetzt da vor Ihrer Partei? Ist Ihre Autorität nicht beschädigt?“
Der Interviewte ist nach der 1. Frage nicht auf die Verschärfung eingegangen, sondern hat versachlicht. Also steigert die Moderatorin in der zweiten Frage. Sie wiederholt die vorher indirekt geäußerte Vorstellung nun wörtlich, nämlich dass das zweite Alpha-Tier in seiner Führungsrolle beschädigt sei.
Herr Habeck wiederholt seine erste Replik und ergänzt, dass die Zustimmung des Parteitages nicht so zähneknirschend gewesen sei, wie von der Moderatorin behauptet, dass eine frühere Lösung zwar besser gewesen wäre, dass aber die jetzige Lösung immer noch besser sei, als die sehr viel weiter gehenden Vorschläge der politischen Kontrahenten.

3. Frage: „Aber … (Tonfall hörbar unzufrieden, Stimme hoch) …wie stehen Sie jetzt da? Vielleicht sagen Sie ja auch: Pfff, Gott sei Dank, ich bin erleichtert, Olaf Scholz hat mir `n Gefallen getan, weil er hat das jetzt befohlen, was ich nicht wollte. Freunde bei den Grünen, ich kann gar nichts dafür.“
Wieder versucht die Moderatorin die dem Konflikt ihrer Meinung nach innewohnende Erregung zu steigern und aus dem Interview-Partner ‚herauszukitzeln‘, in dem sie erstens dieselbe Frage („Wie stehen sie jetzt da?“) noch einmal stellt. Zweitens macht sie zugleich den gegenteiligen Gedanken auf. Herr Habeck könne froh sein, die Kompromiss-Lösung nicht gegenüber seiner Partei vertreten zu müssen, sondern er könne sich mit der Autorität des Kanzlers „herausreden“. Die Eskalation durch die Moderatorin besteht darin, dass sie den vorher nur imaginierten Autoritäts-Verlust des Interviewpartners nun selbst formuliert. Drittens wechselt sie in die Umgangssprache, als sie in die Ich-Perspektive von Herrn Habeck wechselt. Sie imaginiert damit Vertrautheit mit seiner Gedankenwelt.
Herr Habeck wiederholt erneut seine vorherigen Antworten, und ergänzt, dass angesichts eines bevorstehenden, möglicherweise in energetischer Hinsicht problematischen Winters eine Entscheidung dringend notwendig gewesen sei.

4. Frage: (Die Frage knüpft an bei der Aussage von Herrn Habeck, er könne mit der Entscheidung „arbeiten“.) „Aber (…zum zweiten Mal beginnt eine Folgefrage mit „Aber“…) wie arbeitet Ihre Partei? Denn wir haben den erbosten Jürgen Trittin gerade gehört. Das Ganze ist ja mit einem Kabinettsbeschluss nicht getan, sondern es bedarf der Zustimmung des Bundestages, und andere Kanzler sind mit ihrer Richtlinien-Kompetenz schon mal gescheitert, weil Fraktionen gesagt haben: Nö, da machen wir nicht mit. Ist das im Bereich des Möglichen? Auch diesmal?
Die Moderatorin erkennt, dass Herr Habeck auf die gewünschte Eskalation nicht eingeht. Sie eskaliert, indem sie vermutet, die Partei, die Herr Habeck vertritt, könnte eine Regierungskrise heraufbeschwören. Wieder verwendet die Moderatorin Umgangssprache bei einer Innenperspektive, diesmal derjenigen der Partei: „“, als ob es eine solche gäbe, – überhaupt geben könnte.
Herr Habeck erklärt, dass angesichts der gerade zu bewältigenden Krisen und angesichts der bisher sehr erfolgreichen Arbeit eigentlich keine Regierungskrise entstehen könne.

5. Frage: „Aber (… zum dritten Mal beginnt eine Folgefrage mit „Aber“ …) es ist doch ein bemerkenswerter Vorgang. Gestern haben Sie drei: Sie und Herr Lindner und der Kanzler abends zusammengesessen, sind ohne eine Einigung auseinander gegangen und heute ordnet der Kanzler per Richtlinien-Kompetenz an, wie es zu laufen hat. Ist das ein Zeichen von Macht oder von Ohnmacht? Und zwar in allerletzter Minute.“
Frau Miosga verfolgt die Spur der Konflikt-Verschärfung weiter, indem sie den Begriff „Ohnmacht“ ins Spiel bringt.
Herr Habeck führt aus, dass die AKW-Frage eine sehr aufgeladene Debatte mit langer Geschichte und viel Identitätsstiftung sei. Es sei deshalb zwar nicht hilfreich, aber verständlich, dass eine Einigung nicht möglich war. Die Entscheidung des Kanzlers sei richtig und gut und nun könne man sich wieder wichtigeren Dingen zuwenden und die erfolgreiche Seite der Regierungsarbeit weiterverfolgen. Das schließe konstruktive Auseinandersetzungen („ich will Schwierigkeiten gar nicht leugnen“) vor dem Hintergrund unterschiedlicher politischer Profile der Parteien ein.

6. Frage: „Ja… (unterbricht, grinst ironisch) …und weil sie so große Dinge (die Moderatorin knüpft bei Herrn Habecks Aussage an, man habe in der Regierung schon große Dinge erreicht…), versteht ja kein Mensch, dass Sie sich so’n überflüssigen Streit leisten. Wieviel Schaden hat das Ganze jetzt angerichtet? Wir stehen vor einer der vielleicht größten Krisen dieses Landes, und die Ampel liefert sich diesen – ja, ich finde: total überflüssigen – Streit, nur um die eigene Partei zufrieden zu stellen, bei der FDP ist es die eigene Klientel. Was, glauben sie, hat das für einen Eindruck gemacht auf die Deutschen?“
Die Moderatorin eskaliert wiederum, indem sie langfristige Schäden imaginiert und die Dramatik einer angesichts von Krisen historischen Ausmaßes handlungsunfähigen Regierung aufruft. Dabei verwendet sie erneut Umgangssprache und bringt ihre persönliche Wertung ins Spiel („[…] ja, ich finde: total überflüssigen Streit […]).
Herr Habeck verkehrt durch Kürze und durch Bestätigen der Moderatorin seine Sachlichkeit in Sarkasmus: „Wahrscheinlich keinen guten. Und genützt hat es auch nichts.“ Mehr sagt er nicht. Ich verstehe das als Versuch, die aus seiner Sicht sinnlose Eskalation auszuhebeln.

7. Frage: „Und was lernen wir jetzt daraus? Wir erinnern uns noch an diesen Beginn der Koalition, da war die Rede von Möglichkeitsräumen (…Anflug von Ironie…), solche Vokabeln gab es da, und einem neuen Politikstil, als die Ampel begann. Was ist davon noch übrig, Herr Habeck?
Nun initiiert die Moderatorin die Vorstellung, dass von der anfänglichen Aufbruchstimmung der Regierung nichts mehr übrig sei. Sie konfrontiert damit ihren Interview-Partner mit der Steigerung von einer einzelnen nicht geglückten Episode zu einer als Ganzes handlungsunfähigen Regierung.
Herr Habeck erklärt, dass von der Aufbruchstimmung noch viel übrig sei, gerade wegen der schon gelungenen Projekte. Diese zählt er in Beispielen auf.

Es folgen noch zwei eher belanglose Fragen und von Herrn Habeck noch einmal eine Aufzählung von gelungenen Projekten.

Ich bin froh, als es endlich vorbei ist. In keiner der Fragen ging es um etwas anderes als um Eskalation., um Konflikt-Zuspitzung und um damit evtl. verbundene Befindlichkeiten. Ich bin genervt. Eigentlich idiotisch. Ich bin doch der mit der Fernbedienung. Ich bestimmte, wie lange ich etwas schaue.
Schon seit Wochen registriere ich immer wieder, dass Moderator: Innen in seriösen Formaten zunehmend genau das pflegen und forcieren, die Eskalation, nicht aber eine Informations-Kultur, der daran gelegen ist, die Sachzusammenhänge, deren Lösung bzw. Gestaltung die Aufgabe von Politik ist, inhaltlich zu klären. Es wird unablässig zugespitzt, forciert, dramatisiert, personalisiert und emotionalisiert. Mich persönlich interessiert – jedenfalls im Zusammenhang mit politischen Fragen – nicht, wie Herrn Habeck zumute ist oder sein könnte. Mich interessiert, welche Vorschläge er und all die anderen haben für die Gestaltung der Zukunft.
Und es werden unablässig Standart-Frames reaktiviert. „Der Kanzler, der sich wegduckt“, „Die aufmüpfigen Grünen“ – wahlweise auch, verknüpft mit heimlicher Häme -: „Die angepassten Grünen“, „Stärke“, „Schwäche“, „Führung“, „mangelnde Entscheidungs-Kraft“, usw.
Die mit der Konflikt-Verschärfung und dem Aufrufen der immergleichen Frames verbundene Arroganz der Moderator: Innen bringt mich auf. In früheren Zeiten nervte mich oft, wenn Reporter: Innen Politiker: Innen mit Unterwerfungs-Haltung  begegneten. Heute nervt mich oft das Gegenteil.

Und ich registriere, dass ich immer weniger weiß, wie ich damit umgehen könnte. Jenseits von unproduktivem Ärger. Außer vielleicht darüber in Ruhe nachzudenken und darüber zu schreiben. Und dabei gleichzeitig zu spüren, wie sinnlos das ist. Denn die Wahrscheinlichkeit, dass Medienkonsumenten lieber ein solches Interview wie das hier besprochene sehen, als diesen Text hier zu lesen, ist groß.
Katzenjammer droht. Vielleicht sollte ich mit mir selbst ein Machtwort sprechen.

Lindenblüte in Strauch

„Oh“, denke ich, „zwei sind schon weiter.“
Dann sehe ich:
Es ist nur eins.
Zugeflogen.

Endlich Regen

Die Tropfen haben einen weiten Weg geschafft.
Jetzt erst mal ausruhen.
Jeder auf seine Art.
Und die Sonne lässt sie. Sie hat sich diskret hinter dichte Wolken zurückgezogen.

In the English way

Tropfen in der Reihe auf Grashalm

An der Steilwand

Tropfen auf Sonnenhut-Blatt

Just hangin‘ around

Tropfen hängt an Blütenblatt

Und ein schaulustiges Insekt sieht sich das Schauspiel an.