elf

Nein, – keine abgefahrene Kunstaktion. Einfach auf kaum vorstellbare Art ignorante Scheiße.

Im Wald entsorgte Autoreifen

Bemerkenswert: Als ich mir diese Bilder noch einmal anschaue, merke ich, dass ich kürzlich einen ähnlich bitteren Zorn empfunden habe, – in jener Konferenz, als mit fadenscheinig begründetem Widerspruch, mit Manipulation und mit scheinbarer Sachlichkeit, – mit jener Art von Politik also, die Demokratie erodieren lässt -, eine schon gefällte Entscheidung in einem erneuten Anlauf noch einmal gekippt wurde.

Trotzkopfdummer Trostversuch: Welches Glück, dass ich nicht nach solchen Maßstäben leben muss!
Misslingt. Leider.

Glück gehabt

Plötzlich ein Rabe
Der Todesbote
Schwärzer als schwarz
Glänzend gleitet er gemächlich heran
Mit ein, zwei federnd gehüpften Schritten
Landet er lässig am Teich
Blinzelt zu uns herüber
Duckt sich, schwingt sich auf und
Schwebt davon.
Glück gehabt.
Falsche Hausnummer.

Im Traum ein Tanztheater. Ich sehe keine Bühne, kein Publikum, nur zwei Szenen. Trotzdem weiß ich es.
In der ersten Szene  eine Figur. Sie steckt in einem bleichen leinenen mildweißen Ganz-Körper-Anzug. Er lässt die Körperkonturen verschwinden. Man sieht nur eine rundliche Silhouette. Einzig der nach vorn gesenkte Kopf setzt sich mit seinem kleineren Rund etwas ab.
Auf den Schultern, um sie herum und um den Kopf herum trägt die Figur ein merkwürdiges Gerüst aus Holzstreben. Sie sind aus grobem Holz. Zu dünn für Balken, zu dick für Leisten. Tiefschwarz gestrichen. Die gesamte Form ist andeutungsweise die eines Würfels, aber die Streben sind nicht parallel, rechtwinklig. Sie sind schräg, durcheinander, aus der Form herausragend.
In der zweiten Szene sieht man eine Hand. Sie trägt das Gerüst. Sie kriecht hinter einer Strebe hervor, nach oben. Man sieht auf die Handinnenfläche gemalt die obere Hälfte eines Gesichtes. Meerblaue, ovale Fläche. Zwei Augen. Sie schiebt sich höher. Man sieht ein weiteres Gesicht. Das gleiche Bild. Nur die Fläche ist smaragdgrün.
Im Traum frage ich mich, ob man dieses Detail in einem Tanztheater überhaupt sehen könnte.
Und wache auf.
Mit hingekritztelten Skizzen versuche ich mir beim Merken der Bilder zu helfen.
Wie gern würde ich zeichnen können.

Tanztheater im Traum Skizze

Bank. Ich muss dringend auf’s Klo. Die freundliche Dame weist mir den Weg. Es ist besetzt. Diskret warte ich auf dem Flur. Spülung, Wasserkran. Eine junge, hübsche Frau kommt raus. Kurzes Nicken als Gruß. Ein Hauch von einem Lächeln. Ein Hauch von Röte auf den Wangen. Ich gehe rein, lasse mich auf den Bottich sinken und muss lachen.
Ich bin tatsächlich überrascht, dass sie genauso stinkt wie ich.

Danach

Du warst ein Samen
Davor Molekül
Davor warst du etwas
Das starb und zerfiel
Davor warst du Leben.

Neuerdings verzichte ich immer öfter auf das Aktivieren irgendeines Wisch-, Daddel- oder Dudel-Apparates. Selbst das Autoradio bleibt aus. Einfach nur denken ist aufregender, als man denkt.

Zeit

Spüren, wie die Zeit sich regt
Mild pulsierend deine Sinne hegt
Die feinen Härchen an den Zellkernen behaucht.

Sie stell’n sich auf
Merksam bebend
Strecken sich
Dem Leben entgegen.

Sie wispern leis‘
Als wär das eine schöne List:
Du bist.

Bestimmt gibt es das in irgendeiner scheiß-dekadenten Bonzen-Disko in, sagen wir: Dubai.
Den Wettbewerb „Miss Wet Burka“.

Döner Bude

Der kleine Mann im Ohr ist umgezogen. Er wohnt jetzt tiefer unten, in meiner Leiste, da, wo meine Seele wohnt. Das Gehirn hat Eigenbedarf geltend gemacht. Zuviel für einen kleinen Kopf wie meinen.
Z.B. diese Szene:
Wie schon des öfteren gehe ich nach dem VHS-Kurs in die Döner-Bude um die Ecke. Man kennt mich, begrüßt mich überaus herzlich. Die Männer, die hier arbeiten, sind nach neuester Post-Köln-Bahnhof-Silvester-Diktion „nordafrikanisch aussehende Männer“. Sie sind supernett. Auch ihre Sprache. Ein leicht zur Seite geneigter Kopf: “ ‚Sch bringe Tisch“. Dazu eine einladende Geste mit der Hand, die mich ins Innere des Ladens schickt. Ich sitze direkt unterhalb des Fernsehers, der hier immer an ist. N 24. Es läuft eine Reportage über Ressentiments gegen Ausländer. Traurige, gebrochene Menschen faseln in breitem Sächsisch das Übliche. Ich frage mich, ob Journalisten gerne die besonders bräsig Sächselnden, besonders Miesepetrigen, besonders Blassen auswählen, wenn sie sich auf die Suche nach Interview-Partnern begeben. Oder gerade die auswählen beim Schnitt des Beitrages. Es sollen ja die richtigen Emos rüberkommen.
Mein Döner kommt rüber. „Lass es Dir schmecken!“. Diese Botschaft kommt zu mir, aber ich weiß, jetzt in der Erinnerung, gar nicht mehr, wie. Gesagt? Gezeigt? Beides? Oder nur die Augen? Egal.
Im Hintergrund sitzt eine Gruppe junge Männer. Sie lachen viel. Handy’s kreisen. Wahrscheinlich lustige Videos. Sprachgemisch.
Am Tisch neben mir ebenfalls zwei junge Männer. Sie unterhalten sich in geschliffenen Formulierungen über irgendeine Maschinenbau-Klausur.
Direkt neben der Theke das Döner-Buden-Faktotum: Eine älterer Mann, kurz vor Obdachlosen-Look, Flasche Bier in der Hand. Ab und zu eine kurz gebellte Konversation zu denen, die da hinter der Theke arbeiten. Die reagieren knapp, aber freundlich. Und weiter geht’s.
Wieder ein paar Bissen weiter schaue ich nochmal hoch zu N24. Inzwischen hat der Beitrag gewechselt. Eine wackelige Kamera folgt einem gewissen Herrn Beckenbauer. Regnerisches bergisches Ambiente. Schweiz? Er trägt eine dieser eng geschnittenen besonders grünen oder blauen oder roten Daunenjacken, die man heute trägt. Und eine Jogginghose. Freizeitlook. Und hat eine Tüte in der Hand. Brötchen? Ernsthaft? Holt Herr Beckenbauer eigenhändig Brötchen? Herr Beckenbauer hastet zu einem ziemlich teuer und ziemlich groß aussehenden Audi. A 10? Gibt’s sowas? Kamera hinterher. Journalisten-Stimme aus dem Off hinterher. „Herr Beckenbauer! Wir würden gerne etwas von Ihnen über die dubiosen 6,7 FiFa-Millionen…“ „Joo, äh, hem, hm“, – Kopfschütteln, Auto auf, weg.
Kauend male ich mir aus, was man mit 6,7 Millionen alles anstellen könnte. Wieviel würde es kosten, in einer mittleren Kleinstadt allen geflüchteten Menschen ein Jahr lang in Kleinstgruppen jeden Morgen 4 Stunden professionellen Deutschunterricht zukommen zu lassen? Weil ich dauernd Gefahr laufe, dass mir Knoblauchsoße auf den Schal (scheiße,  warum ist das hier immer so saukalt ?!) tropft, kann ich mich nicht auf die Rechnung konzentrieren und gebe irgendwann auf.
Lecker satt stapfe ich zur Theke zum Bezahlen. Neben mir steht eine Frau mit einem kleinen Jungen. Beide wirken blass, verfroren, müde und trotzdem spürt man ein bisschen Vorfreude auf’s Essen. Satt werden. Nicht selber kochen müssen. Der Junge weiß nicht recht, ob sein Hunger für einen ganzen Dönner reicht. Sie lässt ihm Zeit.
Ich zahle inzwischen. Beim Gehen der übliche Dialog:
„Tschüüüss, schönabbend!“ „Tschüss, Ihnen auch. Und gute Geschäfte!“ Kurzer Austausch von Blicken. Lächeln.

Oscar-Verleihung

Und natürlich stolpere ich auch dieses Jahr wieder über einen Kurzbericht über die Oscar-Verleihung. Noch ehe ich realisiert habe, wie zornig mich das macht, ist er wieder vorbei. Ein junger sehr, sehr schwarzer Schlaks in einem sehr, sehr weißen Anzug auf dieser sehr, sehr pompösen glitzernden Glamour-Bühne. Er macht Scherze darüber, dass so selten Schwarze für den Oscar nominiert werden. Im Publikum sehr, sehr gut aussehende, sehr, sehr berühmte ViP’s. Sehr, sehr weiß. Sie amüsieren sich köstlich über die Scherze. Ein paar close ups hintereinander. Sehr, sehr amüsierte Vorderzahnreihen.
So ähnlich muss man sich das ja wohl vorstellen, – die Atmosphäre in den Minstrel-Shows in den besonders finsteren Jahren der Rassendiskriminierung. Weiße mit schwarz geschmierten Gesichtern stolpern linkisch staksend über die Bühne. Sehr, sehr Weiße lachen sich tot über die Neger.
Nein, sie haben sich nicht totgelacht. Sie haben die Neger totgelacht.
Und dann sagt der Sprecher über diese Veranstaltung, die Oscar-Verleihung sei dieses Jahr wirklich politisch gewesen. Und als Beleg führt er an, dass Leonardo di Caprio seinen Oscar-Auftritt benutzt habe für einen Statement zum Klaimatschäindsch.
Der Beitrag endet im selben Moment, wo ich die Kiste ausmache. Zu spät irgendwie.

Der letzte Schrei für Böden oder Wänder: Rollschnee

Schnee auf der Frontscheibe

An der Ampel

An der Ampel lasse ich mich trotzkopfdumm auf ein Scharmützel ein.
Gegenüber steht auf der Linksabbiegerspur ein schwarzer Mercedes. Der Fahrer hat einen nervösen Gasfuß. Ab und zu rollt er ein kleines Stück vor. Ich weiß, was er vorhat. Er will mit einem Blitzstart vor mir links abbiegen.
Geschissen, Freundchen!
Ich spurte schon beim allerersten Schimmer von Gelb los. Mister Mercedes ist auch sehr früh gestartet, aber nicht früh genug. Spät, aber gerade noch rechtzeitig versteht er, dass er verloren hat und bremst.
In dem Moment werde ich langsam. Trotzkopfdumm will ich meinen Sieg auskosten. Beim Passieren des Mercedes schaue ich mir den Fahrer an. Er ist um 50. Trägt lässig-teure Klamotten. Auf dem Kopf eine (oder heißt das ‚ein‘?) Basecap. Ein besonders edles Modell. Wahrscheinlich seltenes feinstes Ziegenvelour oder irgendwas in der Art. Wahrscheinlich schweineteuer. Wahrscheinlich findet er sich cool und jugendlich.
Trotzkopfdumm rümpfe ich die Nase. Basecaps sollten für Männer ab 17 verboten werden. Besonders die teuren aus Ziegenvelour. Und noch mehr die Architektenvariante aus grauem Filz.
Ab 70 sollten sie dann wieder erlaubt sein, aber nur für  zu dicke Opis. Sie müssen dann etwas zu klein sein, sehr, sehr speckig, sehr, sehr knallfarbig und vorne muss irgendwas sehr, sehr Amerikanisches draufstehen, – z. B. „CHICAGO“. Sie muss unbedingt kombiniert sein mit der alten, total ausgebeulten Jeans, die er – so die lex Ehefrau – nur noch im Garten tragen darf. Jetzt aber ist die Gattin drei Tage bei Ihrer Schwester und er nutzt die Gelegenheit, diese seine Lieblingsjeans anzuziehen und sein (’seine‘?) CHICAGO-Cap aufzusetzen, als er sich mit seinen Kumpels in der Stadt bei Tschibo trifft.
Unter diesen Umständen finde ich das Tragen einer (‚eines‘?) Basecap durch einen erwachsenen Mann wieder akzeptabel.
Nicht aber bei dem Fahrer eines schwarzen …
Im aller-, allerletzten Moment bemerke ich, dass der Wagen vor mir gebremst hat. Schaukelnd komme ich gerade noch zum Stehen und glotze wahrscheinlich ziemlich doof. Im Augenwinkel sehe ich, dass Mister Basecap grinst. Ich schaue lieber nicht hin. Vielleicht ist es dann nicht ganz so peinlich.

Aleppo

Morgens im Radio höre ich mit einem Ohr die Nachrichten. An einer Stelle bin ich plötzlich ganz dabei und stutze. Aber dann ist es auch schon zu spät. Die Nachricht ist vorbei.
Habe ich das richtig gehört?: Aleppo droht eine Belagerung von drei Seiten? Auf der einen Seite vom IS, auf der anderen von den regierungstreuen Assad-Truppen, auf der dritten von – ja, ich hab das so gehört! – den Kurden?
Das nun bringt mich total durcheinander. Moment …, die Kurden, waren die nicht gegen den IS und gegen Assad? Waren nicht überhaupt IS und Assad auch Feinde? Wurden uns nicht eine ganze Zeitlang die Kurden als letzte aufrechte, moralisch integre Helden in diesem schmutzigen Krieg verkauft? Bärtige ausgemergelte Gesichter, die bereit sind für die gute Sache zu sterben? Also für uns. Und denen „wir“ deshalb auch Waffen geben? Und die „wir“ deshalb auch daran ausbilden.
Schon der Klang ihres Stammesnamens: ‚Peschmerga‘. Das klang doch nach Karl May, nach Robin Hood und ein bisschen nach Guevara.
Und nun helfen die, Aleppo zu belagern, also die Stadt, die nun jetzt gerade medial die geschundene Stadt ist? Von Assad und IS gleichermaßen gequält. Schlimmer geht es ja kaum. Oder sind das wieder andere Kurden?
Am Wochenende danach versuche ich, mir selbst die Sache aufzuklären. Und lerne dabei. Erstens ist es kaum möglich, überhaupt eine Quelle zu finden, die es sich zur vornehmen Aufgabe gemacht hat, die Schattierungen dieser Konflikte, die für mich medialen Deppen immer verständlich – und damit falsch – gemacht werden müssen, realitätsgetreu mit all ihren Widersprüchen darzustellen.
Und zweitens: Was ich dann verstehe, verstehe ich nicht.
Aleppo ist offensichtlich eine geteilte Stadt. Ein Teil wird von Militär beherrscht, das Assad treu ist. Ein anderer Teil wird von Kämpfern beherrscht, die gegen Assad kämpfen. Diese letzteren werden in den meisten Artikeln „Rebellen“ genannt.
Genau diese halten nun einen Flugplatz besetzt. Und genau den wollen die Kurden erobern. IS und Assad wollen die Stadt von den Rebellen überhaupt ‚befreien‘. Und dabei erhalten sie Bombenhilfe durch russische Kampfflugzeuge.
Ich frage mich: Was passiert nun eigentlich, wenn die Kurden diesen Flugplatz erobern? (Wohlmöglich mit deutschen Waffen?) Können dann die russischen Kampflugzeuge darauf landen? Und wenn gleichzeitig der IS einen weiteren Stadtteil von Rebellen ‚befreit‘, wird dann bei Kurden und Assad gleichermaßen gejubelt? Und wenn dann die IS-Flagge gehisst wird, erzürnt das dann doch die Kurden und die Assad-Truppen? Und wenn ja, was passiert dann? Neue Kämpfe? Und wer wird dann umgebracht? Dieselben Menschen, die jetzt auch schon umgebracht werden? Und ist all dieses Umbringen vielleicht schon jetzt nur noch symbolisch? Ist Sieger, wer die meisten umgebracht hat?

Nach zwei Stunden Recherche gebe ich auf. Meine Gedanken schwirren. Sie wissen nicht, ob sie mitfühlend und suchend sich weitertasten sollen oder sich zynisch abwenden oder verzweifelt einfach nur im Dunkeln warten, bis das Schlimmste vorbei ist.

Musikunterricht. 5. Klasse. Ein Arbeitsblatt ist verteilt. Darauf stehen die Töne, mit denen die Schülerinnen und Schüler auf Xylphonen und Metallophonen das neue Lied begleiten können. Ein paar Erklärungen von mir.
Schließlich die Frage: „Ist noch irgendwas unklar?“
Ein Schüler meldet sich: „Ja. Was heißt ‚ Hashtag C‘ ?“