Menschenwimmelwesen
Abschied
Wie das Leben, – soll man sagen: „spielt“?
7:30. Das Handy klingelt. Eine Freundin. Gestern Abend gegen 8 ist er gestorben. Unser Ex-Kollege. Mein Tenniskumpel. Der schon so lange litt.
Wie das Leben, soll man sagen: „höhnt“?!
Ich mache, was ich im Urlaub morgens manchmal gerne mache. Ich koche Kaffee. Setze mich gemütlich irgendwo hin und widme mich einem Sudoku. Halbherzig. Mit schlechtem Gewissen. Und trotzdem. Geradezu zwanghaft.
Lege das Sudoku-Handy weg, als die Liebste aufsteht. Damit sie nicht denkt, wie ignorant und herzlos ich bin. Angesichts dieses Todes so etwas Profanes wie ein Sudoku. Ein Spiel! Hallo??!!
Dabei weiß ich, dass sie so gar nicht denkt. Meine Gedanken. Innenleben des trotzkopfdummen Menschenwimmelwesens „Ich“.
Dann liegen wir zusammen auf dem Sofa. Beide noch in Nachtkleidung. Beide eingehüllt in eine Wolldecke. Beide mit von unseren ratlosen Händen umschlossenen Kaffeebechern.
Beide tasten wir uns an diesen Tod heran.
Was wir mit diesem Mann erlebt haben. Nicht erlebt haben. Erschrecken, dass dieser Mann jetzt tot ist. Tot.
Was wir gemacht haben mit ihm. Nicht gemacht. Hätten machen sollen. Glauben, gemacht hätten haben zu sollen. Versuchen zu verstehen. Merken, dass wir nicht verstehen. Oder doch ein bisschen. Probieren für diese ganze lächerlich wichtige Dramatik eines Lebens, mehrerer Leben, Wortkleider aus. Nehmen sie wieder weg. Hängen sie zurück. Suchen andere. Nehmen dann doch das erste. Wir haben einfach kein besseres gefunden. Schweigen. Malen uns aus, was das Leben angesichts unseres eigenen Todes anstellen wird. Oder nicht. Lieben dieses ganze kleine lebensgroße stolze Dasein. Schämen uns ein bisschen. Wollen in Zukunft alles nicht mehr so wichtig nehmen. Und tun es dann doch. Wie immer angesichts all dieser Tode, die wir schon durchleben mussten.
Sind eben Menschenwimmelwesen. Ein jedes, wie es ist. Und nicht ist.
Leben weiter. Jedenfalls jetzt.
Draußen lebt man auch weiter. Porto baut überall. Ab heute jetzt auch hier. Am Tag, da unser Abschied beginnt. Der von ihm und der von Porto.