17. Oktober 2018
(Tropea)
Noch einmal dürfen wir Tropea erleben. Jetzt sind wir schon so oft hier gewesen. Auch auf dieser Reise schon einmal. Und sehen wieder Plätze und Straßen, die wir noch nicht kannten.
Nur das Restaurant. Das kennen wir. „Le Volpi e l`Uva“. Hier werden wir immer hinkommen, wenn wir in Tropea sind. Heute Abend sind drinnen nur zwei Tische besetzt. An einem kleinen sitzen wir. An einem großen sitzen viele Menschen, die einander und offenbar auch die Besatzung des Restaurants kennen. Alle tippen eifrig auf ihren Handys herum. Schließlich tritt der Besitzer hinzu. Er nimmt sich die Fernbedienung des Fernsehers, der gut sichtbar für uns alle über uns hängt, und sucht etwas. An den Fragmenten der Bilder und Töne, die ab und zu auf dem Bildschirm erscheinen, und an den Gesprächen und den gegenseitigen Kommentaren merken wir, dass alle unbedingt den Live-Stream einer Veranstaltung sehen wollen, die jetzt gerade auf der großen Piazza ein paar Straßen weg von hier läuft. Den Anfang der Veranstaltung haben wir auf unserer Runde vor Ort gesehen und ein bisschen zugehört. Hier werden politische Reden gehalten. Soviel verstehen wir. Auch, dass es um eine Wahl geht.
Der Restaurant-Besitzer, der den Live-Stream auf dem Fernseher immer noch nicht am Start hat und für ein paar Minuten aufgibt, erklärt uns, dass am kommenden Sonntag die Wahl des neuen Bürgermeisters sei. An dieser Wahl seien die Menschen in Tropea sehr interessiert. Viel mehr als an anderen Wahlen. Es gebe zwei Kandidaten, die besonders gute Chancen hätten. Die wolle man jetzt reden sehen und hören.
Er wendet sich wieder dem Bildschirm zu. Ab und zu hat er ein Bild von der Piazza. Aber keinen Ton. Ab und zu umgekehrt. Meine Blicke treffen sich mit denen einer Frau, die mitten zwischen den Handy-Fummlern an dem anderen Tisch sitzt. Sie hat kein Handy. Sie schaut für mich einmal in ihre Runde und zuckt mit den Schultern. Lächelnd signalisiert sie, dass sie jetzt hier erstmal abgemeldet ist.
Mitten hinein in das Suchen betreten ein älterer und ein jüngerer Mann das Restaurant. Sie machen einen irgendwie besitzergreifenden Eindruck. Der jüngere Mann legt seine Sachen auf einen Stuhl am Nachbartisch. Merkwürdig. Normalerweise lassen sich in Italien Gäste in einem Restaurant die Plätze zuweisen bzw. finden sie gemeinsam mit dem Personal.
Der ältere diskutiert mit dem Restaurant-Besitzer. Er hat einen gedämpft fordernden Ton. Sein Gesicht formt einen Ansatz von Grinsen, nur als Andeutung sichtbar, merkwürdig überheblich, siegessicher. Dann setzt sich der ältere an einen großen Tisch neben der Such-Runde. Dort werden die Stimmen deutlich leiser. Der Betrieb erstirbt. Der junge Mann nimmt seine Sachen und wechselt zu dem anderen Tisch. Die beiden reden kein Wort. Es liegt plötzlich im ganzen Restaurant Stress in der Luft.
Die Liebste und ich spinnen lustvoll alle möglichen Geschichten um diese Begebenheit herum. Am meisten fasziniert uns die Vorstellung, dass die beiden vom „Verein“ sind und das Schutzgeld abholen wollen. Natürlich nicht, ohne sich vorher üppig bedienen zu lassen.
Als wir gehen, verabschiedet der Besitzer uns deutlich zurückhaltender, als er uns begrüßt hat.
Eigentlich würden wir schon gern wissen, was das jetzt für zwei Gestalten waren.