04. Oktober 2018
(Rückblick auf Messina und Milazzo)
Ich träume von einem neuen Postkarten-Format.
„Living Postcards“.
Wir hätten welche verschickt aus Messina und Milazzo.
„From Real Life With Love“
Living Postcards aus Milazzo:
Strand
Milazzo hat etwas mehr als 31 000 Einwohner. Sagt Wikipedia. Als wir unseren ersten Abendspaziergang vom Hafen aus machen, stellen wir fest: Die 31 000 müssen allesamt jetzt gerade zur Passegiata hier auf der Hafenpromenade sein. So ein unfassbarer Betrieb ist hier. Plus Familienangehörige, die gerade zu Besuch sind. Plus die paar Touristen, die sich hierher verirrt haben. Wir z.B., die wir auf einer Bank sitzen und das Treiben hier Eis-leckend betrachten. Im Hintergrund eine alles andere als malerische Industriekulisse. Verrückt.
Am nächsten Abend wandern wir zur anderen Küste dieser schmalen Halbinsel. Was heißt „wandern“? Es ist ein kleiner Spaziergang. Wir finden einen Traumstrand. Davor eine Straße. Zwischen Traumstrand und Straße: Nichts. Keine Bars für den Sundowner. Nicht mal Reste von temporären, die vielleicht nur während der Saison offen sind. Stattdessen liegen dort drei mittelalte Menschen im Rest des Sonnenlichtes. Kurz vor Sonnenuntergang packen sie ihre Sachen und gehen. Ist kühl geworden.
Wir staunen lächelnd. Wie kann man jetzt gehen? Die Echtzeit-Romantik kommt doch gleich erst.
Die aus Touristensicht viel schönere Küste ist verwaist. Am Lungomare mit Blick auf Öltürme tobt das Leben.
Pizzeria
Rechts vom Hafen liegt erhöht in einiger Entfernung ein großes, halbrund geformtes Gebäude mit vielen Fenstern und kleinen Balkons in Richtung Bucht von Milazzo. Wir fragen uns, was das wohl für ein Gebäude ist. Ein Hotel? Eine Altenresidenz? Ein Krankenhaus? Wir fragen einen älteren Herrn. Er kommt aus einem Haus im Schatten dieses Gebäudes. Er schaut erstaunt hin. Und weiß es auch nicht. Aber er empfiehlt uns eine Pizzeria in der Nähe, falls wir ein Restaurant suchen.
Ennoteka
Eine kleine feine Ennoteka vis-à-vis vom Lungomare. Hier gibt man sich kleinen feinen Genüssen hin für großes Geld. Vornehmlich Männer. Einer betritt den Laden mit einer sehr viel älteren Frau. Vielleicht seine Mutter. Er dirigiert sie an einen Tisch neben uns. Mehr Tische gibt es nicht. Draußen noch zwei, drei Tische mit Barhockern. Hier drinnen passiert’s im Stehen. Ein Gast, der schon hier war, begrüßt den neuen Gast. Man kennt sich. Man ist vertraut. Fasst sich an. Gibt angedeutete Wangenküsse. Einer der Kellner reagiert auf den neuen Gast laut, freudig und mit einem hüpfenden Gang hinter der Theke weg zu ihm. Schnell ist klar: Der Neue hat heute Geburtstag. Der Gast, der schon da war, ist ein wenig beschämt, dass er es vergessen hat. Mit lachend vorgetragenen Entschuldigungen verlässt er den Laden. Kurze Zeit später kommt er wieder. Er übergibt dem Geburtstagskind eine schicke kleine Papiertasche aus einer Parfümerie. Geburtstagskind packt aus. Währenddessen öffnet der Kellner eine erste Flasche Schampus. Oh, wie schön!! Eine Fläschchen Parfüm. Es wird natürlich sofort probiert und wortreich kommentiert. Auch der Mama gefällt der Geruch.
Nach dem ersten Gläschen betritt ein weiterer Mann den Laden. Er hat auch ein kleines Geschenk dabei. Er hat offenbar dran gedacht. Geburtstagskind packt aus. Unter dröhnendem Gelächter und vielen Scherzen, die wir alle nicht verstehen, tritt zutage: Ein Fläschchen Parfüm. Exakt dasselbe. Nur die Flasche eine Nummer kleiner. Die die Schampus-Gläser werden sofort lachend nachgefüllt.
Fischer
Ein weiterer Traum wird wahr. Unmittelbar neben dem Yachthafen sind mehrere Fischer-Kooperativen, die hier an kleinen Tischen direkt nach der Rückkehr vom Fischfang ihre Beute verkaufen. Wir streifen daran entlang. Unten, direkt vor den sanft ausplätschernden Wellen, hantieren zwei Leute mit etwas Größerem. Wir schauen genauer hin. Es ist ein Rochen von bestimmt 1,50 Durchmesser. Die beiden schneiden Filetstücke heraus. Ich hebe die Kamera. Noch bevor ich fragen kann, gibt mir einer der beiden mit heftigen Gesten zu verstehen, dass er nicht fotografiert werden will. Ich drehe mich weg. Ein Fischer hier oben hat die Szene beobachtet. Er lächelt und zuckt mit den Schultern. Er lädt mich ein, ihn zu fotografieren. Er posiert sogar ein bisschen für mich.