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Wutwörter

Wutwörter. Erst, als es einigen Menschen kaum noch möglich war, überhaupt irgendeinen zusammenhängenden Text zu sprechen oder zu schreiben, war auch dem letzten klar, was für eine Revolution einige Tage vorher begonnen hatte. Inzwischen lag ein Bekennerschreiben vor, das heißt, – es war nicht eigentlich ein Schreiben. Es war ein Gedanke. Ein Bekennergedanke. Er verbreitete sich auf rätselhafte Weise. Die Menschen erlebten ihn wie einen eigenen Gedanken und wussten doch zugleich von anderer Urheberschaft. „Wir werden nicht weiter hinnehmen, für Bedeutungen missbraucht zu werden, die wir nicht vertreten können.“ …

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Als wäre Frieden

Im Garten glitzert gut gelaunt ein Teich Ein Silberfischchen macht sich auf die Passegiata Diagonal durch’s Gästeklo, – klar, ist ja sein Reich In der Hecke Spatzen-Faxen-Pieps-Theater Die Liebste: Hingegossen, schlafend auf der Couch Ein Buch döst bäuchlings auf ihrem Busen Dieweil die Lesebrille zärtlich ihre Wange knautscht …

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Anderland

Da sitzt sie nun Und schaut mich an Und ich frag mich, ob man Dies Blicken wohl noch „Anschau’n“ nennen

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Ihn hat der Rhein genommen

Er schaut aus dem Fenster des fahrerlosen Shuttles. Ungefähr hier muss es gewesen sein. Vielleicht auch etwas weiter nördlich. Aber dort kommt er nicht hin. Ein Stück weiter sieht er schon die hohen Deiche. Kurz dahinter ahnt er das Meer. Er glaubt, es schon zu riechen. Rings um ihn herum sandiges Ödland. Wie hineingesprenkelt verfallene Reste einer Siedlung. Jeffkan bebt. Er ist ein einer Weise aufgeregt, wie er es nur ein einziges Mal erlebt hat. Ängstlich und zugleich sehnend. Er ist inzwischen allein in dem Shuttle. Als er schon fast entschlossen ist auszusteigen, fällt sein Blick auf den Screen an der Stirnseite…

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Nachricht

Und dann steigt sie / Auf. Wie Schwefelgeruch. / Aus feinen Rissen im / Wortvulkangestein: / Die Hybris des Homo / Der sich selbst sapiens nennt / Als die Nachrichtensprecherin berichtet

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Dschihad

(für جابر البكر‎,) Er lässt den Lieferwagen ausrollen. Es ist die festgelegte Stelle. Hier, am Rand des Wochenmarktes, wird er

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Trübsal

Trübsal, Nicht mal geblasen, Zuviel Aktivität, Heimlich herbeigenebelt, Dräut sie vor sich hin, Quillt in die Zwischenräume, Zwischen den Synapsen …

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24. Februar 2022

Gedanken- — splitter, die mit metallisch leichter Unerbittlichkeit die zarte Haut über den Wunden der Alltagsgewissheiten durchdringen. — gebäude zerbombt. Aus den rußumrahmten Höhlenaugen stiert die Unbelebbarkeit. …

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24. Februar 2022

Erschreckende Erkenntnis: Ich weiß nicht, wie Frieden geht. Wie in Frieden Sein geht. Im Kleinen nicht und schon gar nicht im Gr0ßen. Was ich – immerhin – ahne, jedenfalls im Kleinen: Er beginnt immer mit Nachgeben. Auch und gerade dann, wenn es wehtut. Mir oder meinem Gegenüber. Das Nachgeben. Weil für mich oder mein Gegenüber Recht, Erkenntnis, Werte, Gefühl – einfach alles –zornig dagegenspricht. Und weil Stärke zu zeigen einen hohen Wert hat.

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Ich liebe dich

Sie hat wahrscheinlich übersinnliche Kräfte Überaus sinnlich und zugleich weit darüber hinaus Mit nur einem Blick aktiviert sie geheimnisvolle Mächte

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Das Nahliegende

Irgendwo in Überall tut Jemand An seinem Arbeitsplatz Das Naheliegende. Jenseits Des Tellerrandes geht unbemerkt Glühend die Sonne unter. Und

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Impfpflicht

Wir müssen reden Kann man jetzt – BITTE!! – mal aufhören zu schreiben oder zu sagen: „Die Ungeimpften“. Das hört

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Kanzler-Schimäre

Jetzt also Armin Laschet, der da im Häme-Schauer steht. Ohne Schirm.
Ein mächtiges Bild: Der Kanzlerkandidat, der im eigens beschafften schicken Regelmantel inmitten der Reste einer zutiefst bedrückenden Katastrophe zwei, drei um ihn herumstehenden Männern beim rotwangigen Kichern die Zungenspitze keck aus dem Lachgesicht entgegenstreckt, während vor ihm der Bundespräsident mit ernster Miene sein tiefes Mitgefühl ausspricht.

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Assisi – Vielleicht

Assisi. Es ist noch vor 7 am Morgen. Noch zeichnet die milde Morgensonne mit feinem Strich und zarten Farben Konturen in die Mauern. Noch ist die Stadt schön wie ein geliebter Mensch, der nach dem ersten Pinkeln sich den Weg zur Kaffemaschine ertastet. Vorbei an der Zeitung von gestern und der achtlos über den Stuhl geworfenen Jacke. Sie sind genauso nachtfaltig wie er. Noch hat die Sonne die Menschen, die hier unterwegs sind, nicht in Form und Funktion gegleißt. Noch dauert es bis zur Fütterung im Sankt-Franziskus-Freigehege. Noch glitzert Morgentau am frischen Grün. Weiß-Rot-Grün. Noch sprechen die Kellner:innen Italienisch.

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Wenn du traurig bist

Wenn du über alle Maßen traurig bist, wenn das Raumschiff „Ich“ ein schwarzes Loch durchmisst, wenn dein müder Blick den Weg ins Weite scheut und Erinnerung an altes Glück dich auch nicht mehr erfreut, dann lad die Traurigkeit ein, dein Gast zu sein. Dann bist du schon mal wenigstens nicht so allein.

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Ent-sinnen

Wenn ich in dir verrinne, wenn sich der Sinn der Sinne vom außer mir ins Innen stülpt und umgekehrt …

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Acht-Acht-Neun

889 Im Supermarkt beobachte ich einen Vater mit seiner kleinen Tochter. Er fragt sie, ob er auch Orangen kaufen solle.

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Bootsluder

  So ein Bootsluder entwickelt eine schier unglaubliche Vielfalt an Geräuschen. Was da alles klappern, quietschen, knarzen, heulen, stöhnen, klopfen,

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Tief einatmen

Tief einatmen Die Liebste macht ein Nickerchen auf der Sitzfläche im Cockpit. Ich träume am Ruder so vor mich hin.

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Trauer

Nun, Trauer, schenk mir Schweigen Führ mich in das Haus des Schmerzes. Halt mich, bis Meine Seele sich an die

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Kleiner Trost II

Vorschlag für meinen Grabstein Ich hatte mein Solo. Es war sehr schön. Nun werde ich wieder Ton Im Klang der

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Kleiner Trost I

Seelenruhig Fließen meine Tage ab. Sandkorn für Sandkorn Spülen sie Von den Hinter-Gründen. Übrig bleibt Die Hauptsache. Hier geht es

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Schöner Traum

Ich sitze in einem Hotel beim Frühstück. Schräg gegenüber von mir sitzt ein Paar orientalischer Herkunft. Sie trägt eine schwarze

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Wolf Biermann im deutschen Bundestag

Vorher singt Biermann eine alte Kamelle. Empfiehlt den Abgeordneten, die mit wohlaufgesetztem „Achtung!-Kunst“-Blick dem selbsternannten Drachentöter zuhören wie Abiturienten in der teuren Privatschule dem Schulleiter bei der Zeugnisverleihung: „Du lass dich nicht verhärten“.

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Alles in Ordnung

Schwer liegt der Sommer mittagsschläfrig träge dösend auf dem Land.
Durch die offenen Scheiben quillt er ins Auto. Auf der Suche nach einer Adresse – irgendwo hier – im bäuerlich weiten Land zwischen den kleinen Städten – tasten wir uns hierhin und dahin zwischen Äckern, schmalen Sträßchen, kaum breit genug noch für den Trecker, Baumgruppen, Wiesen und Gehöften, …

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Frisch gestimmt

Wie erste Morgensonnentupfen Perlentöne aus den Vogelstimmen zupfen Wie in frisch aufgezog’nes Bettzeug hinzusinken Wie Vergleiche, die kess grinsend hinken

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PKW-Maut

In diesen Tagen werde ich wieder daran erinnert, dass ich beinahe nicht gewählt hätte. Ein Politiker namens H. Seehofer brennt

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Der Bundespräsident vor der Münchner Sicherheitskonferenz

… Joachim Gauck? Nur er konnte diese Botschaft aus der nicht-öffentlichen Sitzung via TV-Nachrichten in die Öffentlichkeit tragen. Er ist gesegnet mit unbefleckter Wort-Empfängnis. Die ihm dabei zufallenden Formulierungen trägt er mit jenem pastoralen Beschwichtigungs-Timbre vor, das kaum einem so zu eigen ist wie ihm.

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Todesnachricht I

Kein Trost will sein / Mitgefühl verirrt sich in / Vertränten Blicken / Sätze versiegen beim Sagen / Schmerzhafter Wortverklungenheit / Wäre besser Schweigen / Wo es doch sein will / Kein Trost?

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Abschied

Nun also wieder Abschied, Einer, der die Nacht zerfetzt, Die Seelenhaut verätzt, Gedanklichkeit zersetzt, Die feine Schicht einritzt, Die den Augapfel schützt.

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Sonnenuntergang

Einen Sonnenuntergang kann man nicht fotografieren. Nicht dass ich es nicht schon tausendmal gemacht hätte. Ein Bild schöner als das

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Polit-Nostalgie

Jetzt ist es passiert. Ich werde nostalgisch und trauere den guten alten Zeiten hinterher. Früher, – ja, da wurde man noch mit wirklich poetischen Klischees im Fernsehen verarscht! Früher, – da gab es noch andere Feindbilder als den Taliban, z.B. den KGB oder den bösen Bonzen oder Heino.

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Filiströse Filolögchen

Nun – für mich stellt das Ganze schon länger kein Thema mehr dar. Ich lebe in einer Region, in der der Genetiv schon lange unbedeutend ist, genauso wie der Dativ. Trotzdem glaube ich nicht an hinterhältig kulturzersetzende Abschaffung, – eher an eine Veränderung von Lebensräumen. Und wer weiß, – der Wolf ist schließlich auch wiedergekommen.

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Abschied nehmen

Abschied nehmen Kann man auch Abschied geben? Und wenn man Abschied genommen hat Hat man dann den Abschied? Kann man

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Anderland

Lange Zeit nannte ich es das „Land des Vergessens“. Als sie dorthin schon unterwegs war, die Grenze aber noch nicht

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