19. September 2018
(Cetraro – Vibo Valentia)
Tief einatmen
Die Liebste macht ein Nickerchen auf der Sitzfläche im Cockpit. Ich träume am Ruder so vor mich hin. Irgendwas im Augenwinkel weckt mein Interesse. Intuitiv fühle ich: Das gehört da nicht hin. Ich schaue auf und sehe einen kleinen Vogel knapp über der Wasseroberfläche vorwärtsflattern. Ach so, ja, klar, Vögelchen. Denke ich träge. Nichts Ungewöhnliches. Es braucht eine ganze Weile, bis meine dösig vor sich hin dümpelnden Synapsen die richtigen Schaltwege gefunden haben und mir signalisieren: Kleines Vögelchen flattert knapp über der Wasseroberfläche? Hier draußen? Weit vom Land entfernt! Sehr, sehr weit! Kann nicht. Ich schau nochmal hin. Leider ist das Vögelchen weg. Ich will die Synapsen schon anweisen, das Ganze einfach unter „Hirngespinst“ abzubuchen, da stieben plötzlich gleich drei Vögelchen aus dem Wasser. Ziehen flatternd 30/40 Sekunden eine schnurgerade Flugbahn übers Wasser und tauchen wieder weg. Manchmal schießen gleich 5 oder 6 gleichzeitig aus dem Wasser. Beim Übergang Wasser-Luft ziehen sie wie in geplanter Formation mehrere symmetrisch in einem leichten Winkel auseinanderstrebende getupfte Linien über die Wasseroberfläche und schießen dann in genau dieser Formation auseinander. Fliegende Fische. Ich versuche mir das vorzustellen. Sie wimmeln unter Wasser hin- und her. Haben Bock, ein bisschen über Wasser zu tauchen. Ziehen sich noch mal so eine richtige Dosis Sauerstoff aus dem Wasser, halten dann die Kiemen an und versuchen so lange wie möglich über Wasser zu bleiben. Erst, wenn es den Kiemen schon ganz, ganz eng wird, tauchen sie wieder ein und saugen prustend neuen Sauerstoff.