Umsiedlung
Wir werden einen kleinen Ausflug machen. Ich weiß nur noch nicht, wohin. Zu Mc Donalds? Oder zu einem schönen neuen Schottergarten? Oder zur Autobahnraststätte?
Im Auto hören wir einen Bericht aus Zwickau. Dort hing ein grünes Plakat der rechsradikalen Vereinigung „der dritte Weg“ mit einer großen Headline: „Hängt die Grünen“. (Darunter, so lese ich später bei der Recherche zu diesem Text, sehr viel kleiner eine Erklärung, aus der hervorgehen könnte, dass mit dem Spruch die – eben grünen – Plakate gemeint sein könnten. Wenn diese Nazis nicht so dumpf wären, könnte man es clever nennen.)
Der kleine Nager und ich erfahren, dass die Bürgermeisterin von Zwickau dafür gesorgt habe, dass die Plakate abgehängt wurden. Die Staatsanwaltschaft Zwickau aber sehe im Gegenteil keinen Anlass, dass die Plakate entfernt werden müssten. Das Verwaltungsgericht Chemnitz habe das in einer Eilentscheidung bestätigt, zusätzlich aber verfügt, dass diese Plakate mindestens 100 Meter entfernt von der sonstigen Wahlwerbung hängen müssten.
‚Schade, dass ich kein Kabarettist bin‘, denke ich.
Hm, – Verwaltungsgericht Chemnitz, – wäre das nicht auch eine gute Adresse für meine/n kleine/n Beifahrer:in.
Aber Chemnitz wäre nun wirklich zu weit. Außerdem möchte ich dem süßen Kleinen das nun wirklich nicht antun.
In einem Waldstück hinter der Raststätte lasse ich ihn frei. Neben den Käfig habe ich vor dem Öffnen noch ein bisschen Käse gelegt. Vielleicht hat er ja Lust, seine Freilassung mit einem kleinen Freudenmahl zu feiern. (Und ich kann ihn zum Abschied nochmal fotografieren.)
Während ich an der Klappe herumnestel, fiept er wieder. In seiner Welt sind es wahrscheinlich Schreie, denke ich. Als Klage? Aus Angst? Aus Zorn?
Als er entdeckt, dass die Klappe wieder auf ist, ist er, schneller als ich gucken kann, ins Gestrüpp gejagt. Keine Freudenmahlzeit. Kein Abschiedsfoto. Kein neuer Laut. Den ich Romantiker zu einem Freudenschrei interpretieren könnte. Nur noch ein wenig Geraschel.