Tag 68
„Ich liebe diese Landschaft“, das denke ich jedes Mal, wenn ich durch das westliche Münsterland fahre. Selbst wenn ich zu dem Städtchen fahre, das endlich zu verlassen als junger Mann, ich sehr froh war. Und noch bin.
Aber dieser Landschaft! In sanften fast nicht einmal Hügeln sich wölbende Böden, Felder, unterbrochen von Strauchgruppen, kleinen Wäldchen, Wiesen, Hecken. All das sich genießerisch der Sommersonne ebenso zu Füßen zu legend wie dem schweren friedlichen Landregen.
Schon als Junge liebte ich diese Landschaft. Ich merkte es zum ersten Mal auf schmerzhafte Art. Meine Mutter und ich fuhren die übliche Schmuggelfahrradroute. Kaffee und Butter waren jenseits der grünen Grenze deutlich billiger. Die Strecke führte durch die Bilderbuchvariante eben dieser Landschaft. Aber dieses Mal war plötzlich für ein ganzes Stück des Weges alles anders. Die Wege waren auf einmal gerade, frisch asphaltiert, einige Hecken verschwunden, ebenso manche Bauminsel auf mancher Wiese. Alles so offen, so verfügbar, so gar nicht geheimnisvoll. Die Landschaft lud nicht mehr stromernde Kinder ein. Nur noch mächtige Mähmaschinen. Ich war traurig, ohne recht zu wissen, warum. Ich glaube auch nicht, dass ich darüber gesprochen habe und es dann vielleicht verstanden hätte.
So regelmäßig wie an die Liebe zu dieser Landschaft, werde ich an einen Schimmer dieser Trauer erinnert. Wenn mittendrin plötzlich eine dieser „Wir-machen-den-Weg-frei“-Baustellen auftaucht.
Wenn die Wassersprenger erzählen, dass auch hier die Böden immer weiter austrocknen, um dann hinter einer großen Landmaschine einfach weg zu wehen …
Und doch, liebe ich, noch immer, diese Landschaft.